Rosenheim – Es gibt seit 1983 die „Tour der Hoffnung“. 2023 kam das „Turnier der Hoffnung“ hinzu. Hinter beiden Initiativen steht der Name Kapellmann. Und beide Initiativen engagieren sich im Kampf gegen Leukämie. Die Tour ist vor Kurzem mit drei Etappen über die Bühne gegangen, das „Turnier der Hoffnung“ steigt am Sonntag, 14. September, in Rosenheim, mit der Ü40 des FC Bayern und einer Landkreis-Elf. Auch dank prominenter Akteure wie den Fußball-Legenden Jupp Kapellmann und Felix Magath sichern die Projekte viel Geld für eine gute Sache. Grund genug fürs OVB, sich mit Felix Magath und Jupp Kapellmann über Fußball, Geld und gute Taten zu unterhalten. Und über Sportbetrug beim Bergradeln.
Die „Tour der Hoffnung“ begann 1983. Herr Magath, Wissen Sie noch, was Sie in diesem Jahr gemacht haben?
Magath: Nicht für jeden Moment. Aber ich könnte Ihnen sagen, was ich am 25. Mai um 21.09 Uhr gemacht habe.
Nicht nur HSV-Fans erinnern sich. An die magische Nacht von Athen. Und Ihr Zaubertor.
Magath: Ja, in Athen. Ich habe den Ball bekommen, von rechts. Ich habe den Ball angenommen, einen Schuss angetäuscht und den Ball Richtung linkes Strafraumeck vorgelegt. Dann hab ich die Augen zugemacht und geschossen. Genau in den rechten oberen Winkel.
Zum 1:0-Sieg im Europacup-Finale des HSV gegen Juventus Turin.
Magath: Unhaltbar für den Dino Zoff. Der war ein großer Torhüter. Aber auch er konnte diesen Schuss nicht halten.
Jupp Kapellmann, Sie hatten zu diesem Zeitpunkt gerade Ihre Karriere abgeschlossen, nach einer letzten Saison beim FC Starnberg.
Kapellmann: Ja, es gab damals einen Sponsor, der mich dahin gebracht hat.
Und danach starteten Sie die Tour der Hoffnung. Wie kam es dazu?
Kapellmann: Mich hatte damals ein Oberarzt angesprochen, Fritz Lampart. Er wollte etwas gegen Leukämie unternehmen. Leukämie war seinerzeit für junge Menschen noch ein Todesurteil. Sein Bruder war Professor in Kalifornien. Und der hatte ihm erzählt, dass man in der Forschung nur dann etwas erreichen kann, wenn man privates Kapital anzapft.
Fundraising nennt man das heute.
Kapellmann: Ja. Damals war das noch ziemlich unbekannt. Dieser Arzt meinte, ich sei doch beim FC Bayern, und sein Sohn gehe immer zu den Spielen und sehe, wie groß die Begeisterung für die Bayern ist. Das sei die beste Möglichkeit, den Leuten klarzumachen, was Leukämie ist. Und dass Geld für die Forschung viel bewirken kann. Also hab ich den Franz (Beckenbauer, Anm. der Red.), den Gerd (Müller) und den Sepp (Maier) mal gefragt. Das war erstmal Quatsch.
Die wollten nicht?
Kapellmann: Wir sind doch keine Radler, haben die gesagt. Und sie hatten auch keinerlei Verständnis dafür, was Leukämie ist. Später, im Trainingslager, habe ich denen aber ein Foto von einem leukämiekranken Kind gezeigt. Und dann haben wir die erste Tour gemacht. Wir haben damals gleich um die 30000 Mark eingesammelt. Seitdem hat sich das weiterentwickelt, sodass wir mittlerweile unter 1,5 bis zwei Millionen gar nicht mehr fahren. Mittlerweile fahren da viele mit. Auch Täve Schur war schon dabei, der wird ihnen aber nix sagen.
Gustav-Adolf Schur, zweimaliger Gewinner der Friedensfahrt, der vielleicht populärste Sportler der DDR?
Kapellmann: Ja. Wir haben auch im Osten viele Menschen begeistert. Jedenfalls haben wir wahnsinnig viel Geld zusammengebracht. Es gibt Leute, die sogar ihr Erbe eingebracht haben. In Frankfurt hat eine Frau uns eine Villa für eineinhalb Millionen geschenkt. Insgesamt sind wir bisher auf knapp 70 Millionen gekommen. Das fällt schon aus dem Rahmen.
Ein Lob dem Promi-Faktor. Täve Schur fährt aber nicht mehr mit, oder? Der ist doch schon über 90.
Kapellmann: Vorletztes Jahr ist er noch mitgefahren. Und ja, er ist über 90, aber er ist immer noch fit. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Ich kann mich erinnern, wie wir in Görlitz auf dem Marktplatz gestanden sind, alles voll. Und er nimmt das Mikrofon und meint, ich will euch nur eins sagen: Ihr hier in der DDR, ihr seid ganz schön fett geworden. Das hat er sich getraut! Das war noch ganz am Anfang, als wir zum ersten oder zweiten Mal durch die DDR gefahren sind.
Sie waren ganz schön unterwegs in Sachen Leukämie. Hat sich‘s ausgezahlt?
Kapellmann: Wir konnten Forschungsstellen in Düsseldorf, Würzburg und München einrichten. Anfangs war die Überlebensrate ziemlich niedrig. Mittlerweile liegt sie auf über 90 Prozent. Das heißt, die Forschung hat enorm viel gebracht. Ein Kind, das gerade am Beginn des Lebens ist, bei einer so schweren Krankheit mit Medikamenten zu versorgen, dass es überlebt: Das ist ein ziemlicher Erfolg.
Bekannter sind Sie den meisten Fans wahrscheinlich für ihre sportlichen Erfolge, beispielsweise für die drei Titel im Pokal der Landesmeister 74, 75, 76. Was ist Ihnen heute wichtiger?
Kapellmann: Ich finde, gerade in der heutigen Zeit ist es ganz wichtig, dass man sich engagiert für Dinge, die einem nicht primär Kohle bringen. Dass man für die Allgemeinheit was übrig hat. Die Kinder, die behandelt werden, die stammen ja nicht nur aus reichen Familien, sondern von querbeet. Es ist ein gutes Zeichen, wenn auch wir ein Zeichen setzen und heuer 330 Kilometer fahren, an jeder größeren Stelle anhalten und Spenden kassieren. Wenn bekannte Namen dabei sind, ist das umso besser. Ich bin ja nicht mehr so im Blickpunkt der Öffentlichkeit, der Felix ist ja noch viel populärer.
Magath: Man muss dazu sagen, der Jupp ist schon davor jemand gewesen, der nebenbei Fußball gespielt und hauptsächlich studiert hat.
Was hat Felix Magath eigentlich mit Radsport zu tun? Im Internet findet sich wenig bis nichts.
Magath: Natürlich ist auch da die Darstellung, wie soll ich sagen, unvollständig. Ich habe mich immer schon als Sportler gefühlt. Ich habe selbstverständlich Tour de France angeschaut. Ich bin schon früher vor dem Fernseher gehangen und habe da mitgefiebert. Auch jetzt noch. Und ich wundere mich.
Dass wir mit Florian Lipowitz endlich wieder einen Klassementfahrer haben?
Magath: Nein, was da an Leistung gebracht wird. Ich als ehemaliger Profi, der viel Geld mit Fußball verdient hat, bekomme immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich die drei Wochen lang fast jeden Tag rumfahren sehe. Und dann höre ich mir Fußballer im Fernsehen an, die über das zweite Spiel in der Woche klagen.
Eine interessante Aussage habe ich dann doch noch im „Kicker“ gefunden. Sie haben zu Ihrem 70. Geburtstag gesagt, ein Elektrorad komme Ihnen nicht ins Haus.
Magath: Das gilt immer noch.
Sie treten immer noch selber?
Magath: Auf der einen Seite will mir die Gesellschaft erzählen, dass wir auf das Klima achten müssen. Und dann stellen sie Elektroroller und Elektrofahrräder in die Städte. Dass Menschen, die körperlich nicht mehr so fit sind, so etwas als Hilfsmittel nehmen können, ist selbstverständlich. Aber dass jeder sich auf ein Elektrofahrrad setzt? Da kann ich nur den Kopf schütteln.
Kapellmann: Ich habe eine Freundin, mit der fahre ich in die Berge. Wenn ich mal richtig platt bin – das ist aber ganz selten – dann nehme ich das Schloss von ihr, mit so einer Drahtschlinge. Ich hänge mich dran, und dann zieht sie mich mit ihrem E-Bike. Aber das habe ich schon lange nicht mehr gebraucht, ich hab schließlich gut trainiert.
Ziehen lassen? Klingt wie klassischer Sportbetrug.
Magath: Den gab‘s im Fußball genauso (lacht). Es gab ja damals nicht so viele Kameras.
Die Tour der Hoffnung ging diesmal von Frankfurt aus los. Auch im Ausland waren Sie schon unterwegs. Da steckt eine Menge Organisation drin. Wie lange sind Sie noch dabei?
Kapellmann: Wir brauchen langsam Nachwuchs. Das ist nicht so einfach. Wir nehmen kein Geld dafür. Und es wird auch kein Geld dafür geben. Das wäre auch total kontraproduktiv, wenn jetzt einer dabei wäre, der abkassiert.
Apropos abkassiert. Das hat seinerzeit der FC Köln, als Sie zu Bayern wechselten. Sie waren der Rekordtransfer.
Kapellmann: Ja, für 800000 Mark plus Mehrwertsteuer. Das waren dann knapp unter einer Million Mark.
Eigentlich ziemlich wenig für einen absoluten Top-Star. Heute dagegen…
Magath: Mit heute kann man das gar nicht mehr vergleichen.
Heute verdient das ein Top-Spieler in drei Wochen.
Magath: Ich mag das jetzt nicht ausrechnen. Verdienen die das…?
Und kommt vom Team des FC Bayern 2025 dementsprechend Unterstützung?
Kapellmann: Sie können ja dazu beitragen, indem Sie das publizieren und uns beide als Vorbilder präsentieren, wie man sich in der Gesellschaft engagieren kann. Gerade heute, da wir mit Trump und so vielen Idioten zu tun haben. „I will make a big deal“, wenn ich das schon höre.
Ein „big deal“ wäre es für Sie, wenn sich ein aktueller Spieler vom FC Bayern bei ihrer Tour engagieren würde.
Kapellmann: Ne, vom FC Bayern kommt da nichts. Verlange ich auch gar nicht.
Magath: Es ist alles so international geworden. Das geht ja dann alles gleich global. Es wird also nicht einfach sein, für unsere Aktion da mal Nachfolger zu finden.
Interview: Michael Weiser