Edling – „Globetrotter tragen das Fernreise-Gen in sich“, ist Oliver Neumann überzeugt. „Diese Neugier auf die Welt, auf fremde Länder und Kulturen, die hat man oder hat man nicht“, stellt er immer wieder fest. Im optimalen Fall gibt es jemanden, der diese Leidenschaft teilt. So war es bei ihm. 2003 lernte er seine heutige Frau Dagmar kennen, gemeinsam sind sie seitdem auf Tour: mit dem Rucksack oder dem Camper. 2010 und 2011 zum ersten Mal: Die Neumanns reisten durch Südamerika, Australien und Südostasien. 2018 und 2019 ging es von München aus durch Zentralasien bis in die Mongolei.
Über dieses Abenteuer berichten sie regelmäßig bei Festivals, unter anderem bei einem der größten und ältesten Globetrotter-Treffen in Deutschland, das vom 19. bis 21. September in Edling stattfindet. Hier werden an drei Tagen bis zu 500 Fernreisende erwartet: Sie campieren mit ihren Wagen auf dem Ferienhof der Familie Habereder im Mühlthal. Am Samstag, 20. September) zeigen die Neumanns von 21 bis 22.30 Uhr ihren Multivisions-Roadtrip über die Seidenstraße.
Zentralasien, das ist für viele Menschen ein Kontinent, der sich nur schwer erschließt, weil fernab der touristischen Pfade. „Auch für uns war es der große graue Osten“, berichtet Oliver Neumann, „wir wollten uns unbedingt ein eigenes Bild von der Region machen“. Die Fotos, die sie in Edling zeigen, beweisen, wie schön die Region ist, „welch tolle Menschen hier leben“. „Einzigartig weltweit: ihre Gastfreundschaft“, sagt Neumann. In vielen zentralasiatischen Staaten stehe der Gast in der Wertschätzung der Einheimischen höher als die eigenen Eltern.
1000 Kilometer lang sind die Neumannns unter anderem mit ihrem Camper, ein Ford Ranger, tagelang über den Highway im rauen Pamirgebirge gefahren. Eine entlegene Region in Tadschikistan, menschenleer, karg, rau und „wunderschön“, wie Oliver Neumann schwärmt. Die Fahrt über die zweithöchst gelegene Autobahn der Welt war für ihn das bisher eindrucksvollste Erlebnis auf den Fernreisen, die ihn und Ehefrau Dagmar bereits in 60 Länder der Welt führten. „Leben möchte ich dort aber nicht“, sagt der Münchener. Diesbezüglich ist für ihn Buenos Aires die schönste Stadt der Welt. „Da könnte ich mir vorstellen, auch selber daheim zu sein“, sagt er.
Monatelang unterwegs, in den entlegensten Gegenden der Erde: Das erfordert eine besondere Lebensplanung. Denn in der Regel haben Arbeitnehmer keine Chance, solch große Spannen der Abwesenheit in ihren Berufsalltag zu integrieren. Neumann nutzte bei beiden einjährigen Touren einen Arbeitsplatzwechsel, seine Frau Möglichkeiten der Freistellung mit Garantie, in ähnlicher Position wieder arbeiten zu können. Sie reduzierte Stunden oder nahm das Büro quasi mit auf Reisen. Dank dem Mobile Office kann beispielsweise blockweise gearbeitet werden, auch von unterwegs. Das mache nicht unfrei beim Reisen, im Gegenteil: „Ab und zu stehenzubleiben und zurück in den Berufsalltag zu gehen, hilft dabei, die Wertschätzung für die Freiheit des Reisens zu erhalten“, sagen sie. Außerdem werde der Kopf nicht überfordert durch Eindrücke am laufenden Band.
Wenn die Neumanns auf Tour gehen, sprechen sie außerdem nicht von Urlaub: Dieser Begriff impliziere einen Ausstieg aus dem Alltag, am besten verbunden mit Erholung. „Wenn wir reisen, reist der Alltag mit: Wir müssen Wäsche waschen, einkaufen, unsere Fahrt organisieren, unser Budget verwalten. Das fühlt sich anders an und ist oft alles andere als Wellness“, sagt Oliver Neumann, der ebenso wie seine Frau im Online-Medien-Bereich tätig ist. Im deutschen Alltag leben sie eher sparsam, bemüht darum, möglichst viel Geld für ihre Touren anzusparen. Monatelang im engen Camper, ohne Chance, sich mal eine Auszeit als Paar voneinander zu nehmen: Auch das sei eine Herausforderung, berichtet er schmunzelnd. „Da knallt es auch mal“, gibt der 51-Jährige offen zu. Doch sie beide hätten eine Eigenschaft, die ihnen sehr helfen würde: „Wir sind nicht nachtragend. Einer rechts und einer links am Auto vor sich hin schmollend: Das gibt es bei uns nicht.“ Sie seien gerne zusammen, würden immer wieder einen Weg zueinander finden. „Wir können uns hundertprozentig aufeinander verlassen.“
Wichtig vor allem in schwierigen Situationen, wobei: „Wir hatten bei all unseren Reisen noch nicht einmal eine wirklich brenzlige Situation“, sagt Oliver Neumann. Nicht in Südamerika, wie vielleicht zu erwarten, sei ihnen ein Rucksack gestohlen worden, sondern in Australien, berichtet er schmunzelnd. Eine gute Vorbereitung verhindert viele potenzielle Krisen, weiß er aus Erfahrung. Etwa ein Jahr nimmt sich das Ehepaar Neumann Zeit für die Organisation. Es gibt übrigens nur ein Kriterium, das es von einer Fernreise Abstand nehmen lässt: „Wir fahren nicht in extreme Kriegsregionen.“ Länder, in denen diktatorische Regime das Sagen haben, besuchen die Neumanns sehr wohl. Der Vorwurf, ein solches Land dadurch indirekt zu unterstützen, teilen sie nicht. „Wir geben unser Geld vor Ort den Menschen, die dort leben. Und wir ermöglichen, dass sie einen Input von außen erhalten.“