Eine neue Lunge und ein neues Leben

von Redaktion

Reit im Winkl/München – Sarah Broich sitzt im Bett, als der entscheidende Anruf kommt. Sie kennt die Nummer nicht. Zögernd hebt sie ab. Schließlich weiß sie, dass sie rund um die Uhr erreichbar sein muss und nur eine halbe Stunde Zeit hat für einen Rückruf. Es ist ein Lungenangebot. „Von einer Spenderin in meinem Alter“, erzählt die 31-Jährige. Ihr erstes Gefühl? „Erleichterung!“ Fünf Minuten später steht der Rettungswagen vor der Tür. Es geht in ein Transplantationszentrum. Noch am selben Tag findet die Operation statt, die das Leben der jungen Mutter rettet. „Die Ärzte hätten mir nur noch wenige Wochen gegeben.“

8269 Patienten
auf der Warteliste

Sarah Broich aus Reit im Winkl hat eine Lungentransplantation hinter sich. Und gehört damit zu den wenigen Patienten mit Spenderorgan. Laut Stiftung Eurotransplant, die für die Zuteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern zuständig ist, standen Anfang 2025 genau 8269 Patienten in Deutschland auf der Warteliste. 2024 gab es hierzulande aber nur 3316 Transplantationen. Deutschland liegt bei den Organspenden im europaweiten Vergleich am unteren Ende der Tabelle. Das will Broich mit ihrem Appell ändern.

Die Diagnose Lungenfibrose krachte vor fünf Jahren in ihr Leben. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen“, erzählt Broich. Schon vorher zeigten sich Symptome bei der sportlichen Schwimmlehrerin. „Ich merkte einen Leistungsabfall.“ Das Joggen fiel der Endzwanzigerin schwer, sie musste beim Treppensteigen schnaufen. „Ich dachte an Heuschnupfen.“ Doch es kam viel schlimmer. Die Ärzte stellten ein vernarbtes Gewebe in der Lunge fest. Sie besaß nur noch 50 Prozent ihres Lungenvolumens. Die Ursachen für ihre schwere Erkrankung blieben unbekannt.

Anfangs versuchten es die Ärzte mit Medikamenten. „Das sah erst gut aus.“ Doch plötzlich ging es rapide bergab. Bald stand fest, dass die einzige Chance auf Heilung eine Spenderlunge war. „Erst wollte ich davon nichts wissen.“ Zu groß war die Angst.

„Irgendwann fand ich mich damit ab.“ Dann begann das Warten. Das Erstaunliche: In dieser Zeit brachte Broich zwei Kinder auf die Welt. Obwohl manche Ärzte ihr davon abrieten. „Es hieß, ich sei zu schwach.“ Liana kam im Juli 2023 zur Welt. „Danach ging es mir noch ganz gut.“ Doch nach der Geburt von Paulina konnte sie nur noch ein paar Schritte gehen, brauchte mobilen Sauerstoff. „Mein Körper hatte abgebaut.“ Zwar unterstützten sie ihr Mann Robin, die Großeltern und die Geschwister.

Aber sie litt darunter, dass sie sich nicht so um ihre Kinder kümmern konnte, wie sie wollte: „Ich habe mich wie eine Versagerin gefühlt. Wie jemand, der nur vom Spielfeldrand aus zuschaut.“ Nach Gutachten von Fachärzten kam Broich auf die Warteliste von Eurotransplant. „Man muss krank genug für ein Spenderorgan sein, aber auch fit genug, um damit zu überleben“, sagt die 31-Jährige.

„Ich hatte großes Glück.“ Auf die achtstündige OP im Juli folgten viele Wochen Krankenhaus. „Alles verlief gut“, sagt sie. „Es ist ungewohnt, so tief einatmen zu können.“ Vor Kurzem durfte Broich von der Reha nach Hause. Ihre Kinder jubelten, gingen gar nicht mehr von Mamas Schoß runter. Nach und nach lebt sich Broich jetzt wieder im Familienalltag ein. Ganz gesund sei sie zwar nicht, sie brauche viele Medikamente. Aber sie ist überglücklich. Broich hofft nun, dass vielen anderen dieses Glück auch zuteil wird. Um ihnen Mut zu machen, geht sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit. Zudem möchte sie mehr Menschen dazu bewegen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Schon lange vor ihrem eigenen Schicksalsschlag besaß sie einen Organspendeausweis. Aktuell ist in Deutschland laut Gesetz eine Organspende nur möglich, wenn der Spender zu Lebzeiten eingewilligt oder sein nächster Angehöriger zugestimmt hat. Erweiterte Zustimmungslösung nennt sich das. Broich fände eine Widerspruchsregelung besser – die wird auch in Deutschland diskutiert. Hierbei gilt jeder Bürger als potenzieller Spender, sofern er dem nicht ausdrücklich widerspricht.

Spender
bleiben anonym

Broich kennt die Frau nicht, die ihr Leben früh verlor und ihres rettete. Spender bleiben anonym. „Sie haben mir nur ein Foto von ihrer Lunge gezeigt.“ Allerdings könne sie über eine Stiftung den Angehörigen schreiben. Diese entscheiden dann, ob sie Kontakt aufnehmen. Broich möchte versuchen, mehr über ihre Spenderin zu erfahren. „Ich will mir ein Bild machen.“ Schließlich ist sie jetzt ein Teil von ihr.

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