Rosenheim – In einem Workshop der Bildungsregion Stadt und Landkreis Rosenheim konnten Ehrenamtliche aus unterschiedlichen Bereichen lernen, Konflikte in ihren Ämtern souverän zu meistern (wir berichteten)..
„Streit ist eine Chance zum Miteinanderwachsen“, sagte Florian Wenzel, freier Mitarbeiter des Netzwerkes politische Bildung Bayern. Zusammen mit der Bildungskoordinatorin des Landkreises Rosenheim, Katrin Röber, setzt er sich für einen konstruktiven Umgang mit Konflikten ein, wofür das „Wertebündnis Bayern“ die Vernetzungs-Plattform bildet, in der mehr als 200 Organisationen vereint sind.
Demokratie braucht
die Auseinandersetzung
Doch Streiten will auch gelernt sein. „Es hilft nichts, sich zurückzuziehen, egal, ob privat oder öffentlich“, so Wenzel und Röber. Eine Gelegenheit dazu gab es in einem Workshop „Konstruktiv streiten – Konflikte im Ehrenamt souverän meistern!“ Mitglieder aus Trachtenvereinen, Theatergemeinschaften, Hilfsorganisationen, den „Vegans of Rosenheim“ sowie „Kinder der Berge“ und des Vereins „Rosenheimer Leibspeise“ übten drei Stunden lang unter der Leitung von Florian Wenzel und Dr. Christian Boeser, Streitforscher an der Universität Augsburg, warum Streit in einer Demokratie so wichtig ist und wie man konstruktiv streitet.
„Alles, was zu unserem Projekt gehört, sollte auf eine Postkarte passen“, meinte Boeser. Geworden sind es dann Bierdeckel mit Slogans für mehr Demokratie. Darauf steht beispielsweise „Diskutieren heißt nicht, den anderen zu besiegen.“ Es liest sich leicht, wenn es auf einem Bierdeckel steht, aber wie sieht es mit der Umsetzung aus?
In jedem Verein, in jeder Art von Gemeinschaft gibt es typische Situationen, in denen jeder eine Meinung vertritt, von der er nicht abweicht, und schnell wird aus einer Meinungsverschiedenheit ein feindseliger und manchmal unlösbarer Konflikt. In so einer Situation sollte sich jeder Beteiligte dann klarmachen: Was ist mir wichtig, was will der andere, wo könnte man sich begegnen. Die Teilnehmer wurden dazu aufgefordert, ihre eigenen Werte in einem Bild festzuhalten. Da war vom Garten bis zum Autoschlüssel alles dabei. Beide Beispiele haben enormes Konfliktpotenzial: Der Autoschlüssel ist für Veronika aus Eggstätt das Sinnbild für Mobilität und ein echter Wert in ihrem Leben, da sie sonst nicht von A nach B kommen würde.
Wenn sie jetzt einem leidenschaftlichen Nutzer der Öffis oder einem Radfahrer gegenübersitzen würde, könnte daraus in wenigen Augenblicken eine handfeste, vielleicht unüberbrückbare Auseinandersetzung entstehen. Jeder geht in Verteidigung und Angriff gleichzeitig und am Ende würden vielleicht zwei ehemals gute Freunde nie wieder miteinander reden. Doch, so Florian Wenzel, man solle in einem Konflikt immer daran denken, um welchen Wert es gehe, oft habe man dieselben Wertevorstellungen, lebe sie aber einfach anders. Und: „Wir brauchen uns gegenseitig in unseren Werten, Demokratie braucht eine vielfältige Gesellschaft.“ Darum gebe es zunächst einmal kein Richtig oder Falsch, auch wenn man noch so sehr von seiner eigenen Meinung überzeugt sei. Die Teilnehmer wurden dazu aufgefordert, konkrete Situationen aus ihrem Vereinsleben zu schildern, die meisten sind übertragbar auf jede Art von Gemeinschaft. Eine Teilnehmerin möchte in ihrem Verein gerne mitgestalten, ist mit ihren neuen Ideen nicht willkommen. Auf der anderen Seite wird mangelndes Interesse beklagt, wenn in Umfragen dazu aufgerufen wird, seine Meinung einzubringen. „Da sind die Rückmeldungen spärlich“, waren sich die meisten einig.
Dann gebe es die Dominanten, die alles an sich reißen würden, oder es gebe einfach unterschiedliche Erwartungshaltungen. „Wichtig ist immer, die Ursache eines Konflikts zu finden“, sagte Boeser, die liege oft ganz woanders. „Richtig ist, offen für andere Perspektiven zu sein, aber auch kein Fähnchen im Wind“, meinte Florian Wenzel. „Streitvermeidung verhindert auch Kreativität.“
Streit habe auch sehr viele positive Aspekte, wenn man die Regeln beherrscht. „Es kann auch ein Ausdruck von Wertschätzung sein, für uns selbst oder für den anderen.“ Und gerade die Wertschätzung sei es, die man nie außer Acht lassen sollte. Streit als offenes Austragen einer Meinungsverschiedenheit muss nicht feindselig sein.
Nach drei Stunden „Streit-Workshop“ sollten die Teilnehmer reflektieren, was sie nun mitnähmen in ihre Arbeit im Ehrenamt oder auch beruflich und privat. Drei Kategorien wurden angeboten. Was bringt Euch zum Nachdenken? Was hat Euch überrascht? Was findet Ihr merkwürdig? Nachdenklich stimmte, wie oft man selbst in eine Situation komme, die Konfliktpotenzial habe, überrascht, dass man Streit lernen kann und dass es Werkzeuge gibt. Merkwürdig fanden alle, dass die Probleme immer dieselben sind, egal ob beim Trachtenverein oder den „Vegans of Rosenheim“.
Schokolade
braucht Zucker
„Demokratie ohne Streit ist wie Schoki ohne Zucker“, steht auf einem der vier Bierdeckel, die es zum Thema „Streit-Förderer“ gibt. Wenn man ein paar einfache Regeln beachtet, gibt es keine Verlierer, sondern eine Lösung, die für alle Beteiligten akzeptabel ist.