Eine Stütze für den Giftnotruf

von Redaktion

Pilze sind seine große Leidenschaft: Nils Weise aus dem Landkreis Rosenheim kennt sich mit den kleinen Waldbewohnern aus. Außerdem hat er als Pilzsachverständiger eine große Verantwortung. Wie er dem Giftnotruf hilft – und warum die Suche nach Schwammerln auch im Winter noch erfolgreich sein kann.

Rosenheim/Landkreis – Nils Weise war schon als Kind viel im Wald unterwegs. Damals interessierte er sich für die dort heimischen Tiere, aber vor allem für Pilze. Heute ist er 40 Jahre alt und seit mehreren Jahren Pilzsachverständiger. Alles über Pilze weiß der gebürtige Thüringer, der auch im Landkreis Rosenheim zu Hause ist, trotzdem nicht. „Das geht auch gar nicht“, sagt er.

In seinen letzten Schuljahren beschäftigte er sich erstmals intensiver mit Pilzen und lernte Gleichgesinnte kennen. Der Opa eines Schulfreundes sei Pilzsachverständiger gewesen. „Wir sind regelmäßig zusammen in den Wald gegangen und ich habe immer etwas dazugelernt“, erinnert sich der 40-Jährige. 2018 legte er schließlich selbst die Prüfungen zum Sachverständigen ab – „ich habe es für mich gemacht“, so Weise. Seitdem ist er geprüfter Pilz-Experte der Deutschen Gesellschaft für Mykologie.

Weise hat mehrere Jobs, ist aber hauptsächlich in der Disposition tätig. Die Tätigkeit als Pilz-Experte übt er ehrenamtlich aus. „Ich könnte zwar im kleinen Rahmen Exkursionen anbieten und dafür Geld verlangen. Aber das ist nicht mein Ziel“, betont er. Stattdessen will er „den Leuten helfen und sie beraten“. Das ist sein Hobby und dafür hat er Ende September auch einen Kanal auf Whatsapp erstellt. Ursprünglich nur für ein paar Ausgewählte aus dem Bekanntenkreis, die ihn gerne bei seinen Spaziergängen begleiten würden, es aber aus gesundheitlichen Gründen nicht können. Inzwischen folgen ihm dort 140 Interessierte.

Als Pilz-Profi wird Weise auch vom Giftnotruf zurate gezogen. „Erst vor ein paar Monaten kamen Krankenwagen, Polizei und Notarzt mit Pilzresten zu mir“, erzählt er. Es seien nur Bruchstücke gewesen, doch als Experte konnte Weise zumindest eine tödlich giftige Pilzart ausschließen. Auch einem Kindergärtner musste er schon helfen, weil eines der Kinder ein unbekanntes Schwammerl gegessen hatte. „Einmal haben mich Eltern aus dem gleichen Grund verständigt“, so Weise. Auch dort konnte er helfen und den Pilz glücklicherweise als ungiftig identifizieren.

Weise selbst hat keine Angst, mal ein giftiges Exemplar zu erwischen, wie er selbst sagt. „Definitiv nicht. Ich weiß hundertprozentig, was ich sammele“, betont er. Das sei schließlich auch seine Aufgabe. Hinzu komme, dass ihm auch andere Menschen in dieser Hinsicht vertrauen würden. Oft bringen sie ihm ihre vollen Körbe vorbei, damit er sich die Pilze genauer ansieht. Und überprüft, ob giftige dabei sind. „Da darf ich natürlich keine Fehler machen“, sagt Weise.

Dennoch, das ist ihm als Experte besonders bewusst, gibt es Pilze, von denen geringe Mengen bereits tödlich wirken. Besonders gefährlich: „Für verschiedene gute Speisepilze gibt es einen ganz ähnlich aussehenden, tödlich giftigen Verwechslungspartner.“ Beim Sammeln müsse man deshalb auf mehrere Dinge achten, an die man erst einmal vielleicht gar nicht denke. Dazu zählen die Beschaffenheit des Bodens oder die Baumarten, die in der Nähe wachsen. „Manche Bäume gehen nämlich mit bestimmten Pilzen eine Symbiose ein“, erklärt der Profi.

Er selbst kocht gerne mit den essbaren Arten, die er gesammelt hat. „Einen einzigen Lieblingspilz habe ich nicht“, sagt Weise. Aber Krause Glucke, Reizker und Stockschwämmchen schmecken ihm. „Ein sehr vitalisierender Pilz ist außerdem der Igelstachelbart“, erzählt er. Der sei sogar Pilz des Jahres 2026.

Besonders fasziniert ihn auch, dass vielen Arten eine Heilwirkung zugesprochen wird. „Der wahrscheinlich bekannteste Pilz ist der Fliegenpilz. Er ist giftig, gilt aber auch als Heilpilz“, betont Weise. So würden seine Inhaltsstoffe in spezieller Dosierung genutzt, um verschiedene Krankheiten zu behandeln. „Solchen Arten werden etwa antidepressive und vitale Wirkungen nachgesagt“, erklärt der Sachverständige.

Hauptsaison zum Pilzesammeln sei im Herbst. „Ich würde sagen von Ende August bis Ende November“, sagt Weise. In diesem Zeitraum finde man die meisten Arten vor. Deshalb geht der 40-Jährige dann auch öfter sammeln als sonst. Übrigens: Es lohnt sich, an Waldwegen zu suchen. Denn diese bestehen Weise zufolge meist aus Kalk und bieten so ideale Lebensbedingungen für einige Schwammerl.

Allerdings, betont Weise, könne man durchaus auch im Winter sammeln. „Dann gibt es die klassischen Winterpilze: Austernseitlinge, Judasohren und Samtfußrüblinge“, erklärt Weise. Diese seien durch sogenannte Frostschutzproteine vor der Kälte geschützt und würden sich allesamt für den Verzehr eignen. Einige Arten werden sogar als Fleischersatz genutzt. „Etwa der Parasol. Den kann man als Schnitzel zubereiten“, erklärt Weise. Das sei einer der Gründe, warum das Pilzesuchen an Beliebtheit gewinne. „Gerade bei jüngeren Leuten geht der Trend zu weniger Fleisch. Und da können Pilze der ideale Ersatz sein“, sagt er. So sei auch der Schwefelporling inzwischen als das „Hühnchen des Waldes“ bekannt.

Weise macht gerne Fotos, von den verschiedenen Arten, denen er im Wald begegnet. Und wenn ihm etwas anderes vor die Linse hüpft, nutzt er die Gelegenheit auch. „Schon zwei Mal habe ich ein im Gras liegendes Rehkitz entdeckt“, erinnert er sich. Anderen Tieren wie Füchsen ist er ebenfalls schon begegnet. „Waldspaziergänge machen mir ohnehin Spaß. Das verbinde ich eben gerne mit der Suche nach Pilzen“, so Weise. Wenn er nicht gerade im Wald unterwegs ist, spielt der 40-Jährige Karten oder angelt.

Für angehende Pilzsammler hat der Experte außerdem ein paar Tipps. Grundsätzlich brauche es nicht viel. „Das Wichtigste ist aber ein gewisses Grundwissen. Bestenfalls hat man jemanden dabei, der sich gut auskennt“, betont er. Und wer das nicht hat, der sollte zumindest nach dem Sammeln seine Ausbeute einem Pilz-Profi zeigen. „Da schleichen sich nämlich schnell giftige Arten ein“, betont Weise.

Jedes Jahr lernt Weise etwa drei oder vier neue Pilzarten kennen. „Alle Arten kann ich aber niemals wissen und erst recht nicht alle Unterarten“, betont Weise. Das müsse er aber auch gar nicht. Denn stattdessen nutzt er häufig gewisse Grundregeln. „Etwa für Stäublinge. Wenn sie innen durchgehend weiß, weich und gleichmäßig sind, sind sie immer essbar“, erklärt er. Und auch für andere Arten gebe es spezielle Regeln, auf die er zurückgreifen kann, wenn ihm ein unbekannter Pilz unterkommt.

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