Bedrückender antisemitischer Vorfall

von Redaktion

Zum Bericht „Kampf gegen Judenhass“ und zu Meldungen über wachsenden Antisemitismus (Politikteil):

Als Sohn von Hitlers Generalgouverneur in Polen, dem Massenmörder Hans Frank, wurde ich zu Veranstaltungen mit Anita Wallfisch (92) in vier Schulen nach Rosenheim, Trostberg und Traunstein eingeladen. Beim Abendessen in einem Rosenheimer Hotelrestaurant erzählte Frau Wallfisch den zwei Lehrerinnen, die sie und ihren Enkel Simon Wallfisch empfangen hatten, von ihren Erlebnissen in Auschwitz. Ein Gast um die 50 trat an ihren Tisch, verbat sich mit hochrotem Kopf die Erwähnung von Auschwitz und forderte die vier auf, das Restaurant zu verlassen. Simon Wallfisch erwiderte, seine Großmutter habe den Holocaust überlebt und könnte überall darüber sprechen. Der Mann wiederholte drohend, dass in so einem schönen Raum nicht über den Holocaust zu sprechen sei. Die Lehrerinnen forderten ihn auf, seinerseits das Restaurant zu verlassen. Als Frau Wallfisch dem Mann ein energisches „Stopp!“ zurief, verließ er den Tisch. Nachdem ich von dem Vorfall erfahren hatte, ging ich zum Tisch, an dem der Mann saß und forderte ihn auf, sich sofort am Tisch zu entschuldigen. Darauf zischte ihm seine Frau ein „Nein!“ zu. Auch eine erneute Aufforderung sich zu entschuldigen, wies der Mann zurück. Ich informierte den Hotelbesitzer und bat ihn, den Mann hinauszuwerfen. Er sagte zu. Doch das Ehepaar hatte blitzschnell bezahlt und war feige durch die Tür zum Garten entwischt. Einen Tag später erzählte mir Frau Wallfisch, dass sie wegen dieser „Begegnung“ kaum geschlafen habe. In Traunstein erwähnte der Direktor der Schule, in einem – natürlich anonymen – Brief habe ein „besorgter Vater“ angefragt, ob so eine Veranstaltung zum Bildungsauftrag eines Gymnasiums gehöre. Trotz stehender Ovation für Frau Wallfisch sagte sie mir am nächsten Morgen: „Ich fühle mich wieder unsicher in Deutschland.“ Frau Wallfisch spricht am 31. Januar im Bundestag am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.

Niklas Frank

Ecklak

Artikel 1 von 11