Aus der Geschichte nichts gelernt?

von Redaktion

Zum Artikel „Volksverhetzung: Vorwurf vom Tisch“ (Lokalteil):

Wir versuchen, unseren Kindern in der Schule beizubringen, dass niemand gemobbt werden darf. Schlagzeilen über Mobbing-Opfer, deren einziger Ausweg aus dieser belastenden Situation der Suizid zu sein scheint, gibt es genug. Ein Gericht befindet jedoch, dass der politische Meinungskampf unter besonderem Schutz steht. Im politischen Meinungskampf ist offenbar ziemlich viel erlaubt – auch Schläge unter der Gürtellinie. Deshalb darf auf politischen Veranstaltungen gegen bestimmte Menschengruppen Stimmung gemacht werden. Jetzt kann ich mir vorstellen, wie schwierig es für Mobbing-Opfer sein mag, sich gegen ihre Widersacher zu wehren. Ich hoffe nur, dass Herr Winhart von der AfD niemals im Mittelmeer in Seenot gerät. Es wäre schon blöd, wenn er gegebenenfalls feststellen müsste, dass leider kein Seenotrettungsschiff zur Verfügung steht, weil es von jemandem versenkt wurde, der eine Aversion gegen ertrinkende Flüchtlinge hatte.

Gabriele Mahler

Flintsbach

Unsere grundgesetzlich festgeschriebene Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Viele, die zum Beispiel in der Türkei und anderswo als Journalisten, Lehrer oder Richter wegen ihrer Äußerungen verfolgt werden, beneiden uns darum. Die Frage ist nur: Wo endet die Meinungsfreiheit? Meines Erachtens ist das da, wo durch eine Meinungsäußerung in die Menschenrechte anderer – schwächerer? – eingegriffen wird. Das sagt auch Paragraf 130 StGB. Darin heißt es: „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, erstens gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder zweitens die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ Schade, dass die Staatsanwaltschaft im Fall Andreas Winhart anscheinend zu der Auffassung gekommen ist, speziell im Wahlkampf seien volksverhetzende Äußerungen mit Blick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinnehmbar. Man fragt sich schon: Wie viel rassistisches Gedankengut soll ausgerechnet in diesem Zeitraum zulässig sein? „Principiis obsta, sero medicina paratur“ wusste schon der alte Ovid („Widerstehe am Anfang, sonst kommt das Heilmittel zu spät“). Haben wir aus unserer Geschichte wirklich nichts gelernt?

Angelika Graf

Rosenheim

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