Zum Bericht „Das Röntgenbild in der Westentasche“ zum Potenzial der elektronischen Patientenakte:
Natürlich ist Digitalisierung der Begriff der Zeit. Allerdings wissen viele Leser auch um deren Empfindlichkeit gegenüber Einflüssen von außen (Hackerangriffe auf Daten oder Steuerungen oder schlichte Stromausfälle wie in München vor ein paar Wochen). Auch einfache Fehlmanipulationen der weiterhin angelobten Geschwindigkeit bei der Übermittlung von Daten ist heute schon möglich.
So werden zum Beispiel Befunde mit Computern und Texteditoren verfasst und können via E-Mail übermittelt werden. Untersuchungsergebnisse bildgebender Verfahren werden heute schon dem Patienten nach der Untersuchung auf CD mitgegeben: Das ist nichts, was man schleppen müsste, wie es im Artikel so larmoyant heißt. Analysenergebnisse werden von den betreffenden Labors auch als Dateien an die beauftragenden Ärzte übermittelt und in deren Praxen digital gespeichert.
Auch die Bemerkung des Autors, dass die Ergebnisse der aktuellen Forschung und die Erkenntnisse der aktuellen Medizin erst mit sieben Jahren Verzögerung bei den Praxen ankommen, ist mitnichten auf mangelnde Digitalisierung zurückzuführen. Sondern schlicht auf die Tatsache, dass wohl manche Ärzte nicht die Datenbank des amerikanischen Institutes of Health (NIH) kennen. Diese Datenbank enthält alle medizinischen Publikationen seit den 1960er-Jahren, auch wenn sie „nur“ im Journal des „australischen Kaninchenzüchter-Verbandes“ veröffentlicht wurden. Sie wird derzeit um die Publikationen bis in die 1950er-Jahre erweitert und ist für jedermann frei zugänglich. Allerdings ist die Recherche wesentlich anspruchsvoller als die Suche bei Google, denn hier müssen hin und wieder Algorithmen nachjustiert werden. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist hier nicht die Übermittlung, sondern der lesende beziehungsweise verarbeitende Mensch.
Jörg Kern
Waldkraiburg