Alte Hüte, Augenzeugen und weitere Glaubensirrtümer

von Redaktion

Zu den Leserbriefen unter dem Titel „Zur Authentizität der Evangelien“ und „Die Bibel ist kein Märchenbuch“ (Leserbriefseite):

Goethe schrieb: „Es ist die ganze Kirchengeschichte Mischmasch von Irrtum und Gewalt.“ Die vielfache Gewaltanwendung wie vor Jahrhunderten ist der Kirche heute zwar verwehrt, aber ihre Mitglieder dürfen nach wie vor alle möglichen Glaubensirrtümer verbreiten. Herr Rieble hält immer noch an der Vorstellung fest, die Evangelien seien „durch den Heiligen Geist inspiriert“. Diese Verbalinspiration Gottes „Wort für Wort“ ist theologisch ein „alter Hut“.

Einen zweiten Irrtum teilt Herr Rieble mit Herrn Schmid. Beide meinen, die Evangelien nach Matthäus und Johannes würden von den gleichnamigen Jüngern beziehungsweise Augenzeugen Jesu stammen. Ihnen sei gesagt: „Kein Evangelium ist von einem Augenzeugen verfasst worden.“ (K. Deschner). Die literarisch ungebildeten Jünger Jesu wären dazu auch gar nicht imstande gewesen.

Herr Steininger hält einen Hochverrat Jesu für nicht erwiesen, da er angeblich keine Gewalt angewendet habe. Allerdings ist Hochverrat auch nur auf verbaler Ebene mit aufrührerischen Reden gegen die römische Fremdherrschaft denkbar: „Er wiegelt das Volk auf…“ (Luk. 23,5). Außerdem weist Hyam Maccoby überzeugend nach, dass Jesu „Reich Gottes“ ursprünglich ganz von dieser Welt war und er nach Vertreibung der Römer in der Nachfolge Davids „König der Juden“ werden wollte. Zweifellos Hochverrat. Erst nach seinem Tod hätten Paulus und die Evangelisten den streitbaren Römerfeind Jesus im Sinne eines unschuldigen, friedlichen Himmelskönigs interpretiert, dessen „Reich nicht von dieser Welt ist. Es blieben aber Textpassagen übrig, die auf das Gegenteil hindeuten. Dazu gehören seine gewalttätige Tempelreinigung und die Gewaltszene (Petrus) bei seiner Gefangennahme.

Der schwerwiegendste Glaubensirrtum ist die von Herrn Schmid vertretene biblische Opferlegende, dass Gott seinen Sohn für uns alle geopfert habe. Dieser Legende wird von vielen modernen Theologen vehement widersprochen. „Ein Gott, der seinen eigenen Sohn am Kreuz ,dahingibt‘, erscheint grausam, archaisch, barbarisch und roh.“ (Eugen Drewermann). Diese christliche Opfertheologie war schon vor 2000 Jahren moralisch überholt (siehe Isaak und Iphigenie) und ist in unserer modernen zivilisierten Gesellschaft erst recht nicht mehr erlaubt.

Ulrich Kretzschmar

Prien

Vielen Dank für Ihren Leserbrief, Herr Gottinger. Ich stimme Ihnen zu – möchte jedoch ergänzen, dass die Bibel vor allem Gottes Wort an uns Menschen ist. Im zweiten Petrusbrief, Kapitel zwei, Vers 20 und 21, finden wir die Bestätigung hierzu. Es lohnt sich deshalb, sie als solche zu verstehen und ihre Gottesbotschaft zum eigenen Heil zu verinnerlichen, gemäß Johannes 14,6.

Reinhard Reh

Rosenheim

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