Komplizierter Umgang mit historischen Persönlichkeiten

von Redaktion

Zum Bericht „Als Ludwig Thoma zum Antisemiten wurde“ (Bayernteil):

Kein vernünftiger Mensch kann bestreiten, dass man sich in der öffentlichen Diskussion sehr genau und kritisch mit dieser historisch und menschlich extrem schwierigen Thematik auseinandersetzen muss. Ebenso kann und darf niemand bestreiten, dass wir uns, auch und nicht zuletzt aus historischer Verantwortung heraus, ganz klar gegen Antisemitismus, Faschismus und Nationalismus positionieren müssen. Es gibt übrigens einen enormen Unterschied zwischen Nationalismus und Patriotismus. Ludwig Thoma hat sich von seinem Weltbild her, wie übrigens der ganz große Teil seiner Zeitgenossen, zu Thesen und Aussagen verleiten lassen, die wir heute, aus sehr gutem Grund und vollkommen zurecht, rundweg ablehnen. Aber können und dürfen wir Ludwig Thoma heute für etwas verurteilen, was damals allgemeiner Zeitgeist und öffentlich anerkannte Politik war?

Fast das gesamte öffentliche Leben, von der Presse angefangen über die Kunst bis hin zur Literatur, war seinerzeit sehr von nationalem und antisemitischem Gedankengut geprägt. Die Frage, die wir uns heute stellen müssen, ist folgende: Wie gehen wir jetzt mit unserer Geschichte um und wie arbeiten wir sie richtig auf? Die Forderung, jetzt Schulen, Straßen und öffentliche Einrichtungen umzubenennen, halte ich für sehr problematisch. Wie weit wollen wir da gehen? Wenn man den Gedanken wirklich konsequent zu Ende denkt, müsste man auch die Richard-Wagner-Festspiele umbenennen oder die zahlreichen Prinzregentenstraßen in Bayern. Und letzten Endes müsste sich dann auch die evangelisch-lutherische Kirche umbenennen, denn auch Luther war ein fanatischer Judenhasser. Was kommt als Nächstes?

Richard Bücker

Rosenheim

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