Zur laufenden Berichterstattung über die Bauernproteste (Gesamtausgabe):
Wie kann es sein, dass bestimmte Berufsgruppen ihre Proteste auf dem Rücken unschuldiger Mitmenschen austragen dürfen, die einfach nur auf dem Weg zur Arbeit, zum Arzt, ins Krankenhaus oder zu anderen Zielen ihrer Wahl sind? Straßenblockaden mit Traktoren sind Nötigung im Straßenverkehr. Nur ein Beispiel: Ein junger Vater mit Kleinkind im Auto, auf dem Weg ins Krankenhaus zu Frau und neugeborenem Kind, braucht für die Strecke zweieinhalb Stunden – statt normal 20 Minuten. So etwas „geht auf keine Kuhhaut“! Da ist dann nur noch Wut und Verachtung statt Verständnis für Landwirte.
Petra Neumeyer
Bad Aibling
Am Ende der Woche der Bauernproteste bleibt für mich ein schaler Nachgeschmack. Wer muss jetzt die Kosten tragen, die den Bauern dank ihrer kraftvollen und medienwirksamen Proteste erspart wurden oder eventuell noch werden? Müsste man nicht auch den Pflegeberufen, den Menschen in schwierigen sozialen Verhältnissen, den Bildungseinrichtungen, den Verkehrsteilnehmern, alten und kranken Menschen – um nur einige zu nennen – so kräftige Ellbogen oder Traktoren wünschen, um ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen?
Und was haben die Bauern wirklich gewonnen? Nach einer aktuellen Studie der DZ-Bank, die die Raiffeisen- und Volksbanken repräsentiert, werden von den 256000 Höfen, die es im Jahr 2022 in Deutschland noch gab, im Jahr 2040 nur noch 100000 übrig sein. Klare Aussage in der Studie: „Diese Agrarfabriken werden managergeführt und auf knallharte Wirtschaftlichkeit getrimmt sein.“ Wie werden unsere Landschaften, die jetzt schon vielfach ausgeräumt und den landwirtschaftlichen Notwendigkeiten angepasst sind, dann aussehen? Wie geht es weiter mit dem Grundwasser-, Arten- und Tierschutz?
Fast die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens eines Bauern kommt von den Flächenprämien der Europäischen Union. Dieses System, das vor allem den Großen zugutekommt und die Leistungen unserer noch vorhandenen kleinstrukturierten Familienbetriebe bisher nur unzureichend honoriert, müsste dringend und schnell geändert werden. Leider behindern dies auch die Bauernverbände. War dies den vielen kleineren Bauern, die sich an den aktuellen Protesten beteiligt haben, eigentlich klar?
Gerhard Haußmann
Rosenheim
Ein Airbus A380 tankt für die Strecke Frankfurt am Main nach Südafrika 220000 Liter Treibstoff. Zurück noch mal so viel. Für 440 Passagiere. Also hin und zurück pro Person 1000 Liter Kerosin. Für ein Ehepaar ergo 2000 Liter. Mit diesen 2000 Litern beheize ich ein Einfamilienhaus ein Jahr lang. Heizen muss man. Das lässt sich leider nicht vermeiden. Deshalb ist das natürlich ein riesiges Problem und muss seitens des Staates natürlich stark verteuert werden. Merkt jeder. Mit 2000 Litern Treibstoff fährt ein normales Auto 30000 km. Das ist ganz schön weit. Aber ein Problem. Viele sind auf das Auto angewiesen. Man muss schließlich irgendwie in die Arbeit kommen. Besonders die Landbevölkerung ist auf das Auto angewiesen. Also stark verteuern. Richtig Steuern drauf. Klar, wir alle müssen für den Klimaschutz etwas tun. Jeder. Aber jeder nach seinen Möglichkeiten und die auch Sinn machen.
Die Bauern produzieren unsere Lebensmittel. Die brauchen wir. Lässt sich nicht vermeiden. Schon wieder ein Problem. Also durch Steuern stark verteuern. Die Fernreise, die 2000 Liter Treibstoff benötigt, ist natürlich überhaupt kein Problem. Und die Reise darf natürlich für die entsprechende Bevölkerungsschicht auch nicht viel kosten. Das wird sehr stark vom Staat subventioniert. Weil das macht man ja ausschließlich nur zum Spaß.
Alexander Loidl
Riedering
Dass einige Landwirte die Forderung von Lkw-Fahrern nach einer Reduzierung der CO2-Abgabe oder der Lkw-Maut übernehmen, ist ein Widerspruch in sich. Denn wenn die Maut zurückgenommen würde oder die CO2-Abgabe reduziert würde, wäre es wieder lukrativer, die Lebensmittel zu importieren – oder zwischen Produktion und Verkauf durch halb Europa zu kutschieren. Was dann auch klimaschädlicher ist.
Am Ende schadet das der einheimischen Wirtschaft und insbesondere den Bauern, da deren Produkte so wieder weniger wettbewerbsfähig sind, weil Lebensmittel aus dem Ausland eben wieder billiger würden. Durch eine höhere Besteuerung klimaschädlicher Transporte hingegen wird die regionale Produktion bessergestellt. Das nützt besonders den Landwirten.
So wird ein Anreiz geschaffen, diese an sich sinnlosen Transporte zu reduzieren, womit auch die Zahl der Lkw auf unseren Straßen insgesamt reduziert werden könnte.
Matthias Dangl
Riedering
Drei Anmerkungen zu den Protesten der Bauern. Erstens: Dass der Wegfall der Dieselsubvention der Tropfen war, der das Fass der vielen Zumutungen zum Überlaufen gebracht hat, trifft es wohl gut. Aber wer war es denn, der über die Jahre und Jahrzehnte die Bauern mit Zumutungen und Erschwernissen bedrängt hat, und somit das Fass erst vollgemacht hat? Seit Jahrzehnten gab es fast ausschließlich Bundeslandwirtschaftsminister aus den Unionsparteien, die meisten von der CSU. Bei ihr sollten sich die Bauern beklagen über ihre laufend schwierigere Lage.
Zweitens: Der am 16. Januar vom OVB interviewte Fachmann Kasberger meint, die Beihilfe-Streichung betrage 3000 Euro für einen durchschnittlichen Familienbetrieb. 3000 Euro entsprechen 15000 Litern Diesel im Jahr, also wohl an die 100000 Kilometer Traktorfahrt, also jede Woche 2000 Kilometer, also jeden Tag 300 Kilometer Traktor fahren. Da muss der Landwirt Tag und Nacht durchfahren, außer der Familienbetrieb hat heute Dutzende Beschäftigte. Ich finde, ein bisschen sollte man schon mitrechnen, bevor man redet und schreibt. Erst denken…
Drittens: Das Hauptproblem sind meines Erachtens die riesigen anlagesuchenden Gelder der Konzerne und Investmentfonds (die wirklich engen Freunde der CSU). Weil sie für die viel zu hohen Profite kaum noch produktive Investitionsgelegenheiten finden, kaufen sie zunehmend Land und Wald. Mit der Folge, dass die Pachten extrem stark steigen. Und die Betriebe, die noch übrig bleiben, brauchen Pachtland – Pachtland, das immer teurer wird.
Franz Garnreiter
Rosenheim
Die Landwirte machen die Politik für die Gesetze im Agrarbereich verantwortlich. Nun ist es aber so, dass wie in anderen Wirtschaftszweigen auch, diese Gesetze von deren Lobby initiiert und meist vom Gesetzgeber übernommen werden. In der deutschen Landwirtschaft ist der Lobbyist in erster Linie der Deutsche Bauernverband. Offenbar vertritt dieser hauptsächlich die Interessen der Großagrarier, denn sonst wäre es nicht so weit gekommen, dass der größte Teil der Subventionen nach der Größe der bewirtschafteten Fläche verteilt wird. Dieses Konstrukt ist hauptsächlich für das Höfesterben verantwortlich. Wenn man also diese Politik ändern will, sollte man erst mal dafür sorgen, dass in die Spitzen dieser Verbände Leute gewählt werden, die die Interessen der Mehrheit der Landwirte vertreten und nicht die der wenigen Großagrarier. Im Übrigen muss ich gestehen, dass ich ein ambivalentes Verhältnis zur Landwirtschaft habe, obwohl ich nirgendwo anders als in unserer schönen Gegend wohnen möchte. Aber ich kann mich noch gut an das Kriegsende und die Jahre danach erinnern, als wir als ausgebombte Evakuierte (Mutter, drei Kinder, Vater in Gefangenschaft, ich, Jahrgang 1938) in einem kleinen Dorf aufgewachsen sind. Da haben wir die andere Seite der Landwirtschaft erlebt. Das waren nicht nur gute Leute, die nur dafür gearbeitet haben, dass die Menschen genug zu essen haben. Und auch heute kann ich mich darüber ärgern, wenn in Übersee die Landwirte den Radlern das Radfahren auf ihren schön geteerten und von der Allgemeinheit bezahlten Wirtschaftswegen verbieten wollen – wo sich doch jeder Radler schnellstens auf den Seitenstreifen rettet, wenn so ein überdimensionierter Monstertraktor auf einen zugerast kommt.
Paul Schmidt
Marquartstein
Vor rund 200 Jahren schrieb Adelbert von Chamisso die Ballade vom Riesenspielzeug, worin die Tochter eines Riesen einen Bauern als Spielzeug einsammelt, aber vom Vater ermahnt wird: „…wäre nicht der Bauer, dann hättest du kein Brot.“ Vor 70 Jahren kostete ein Ei 25 Pfennig, einen halben Stundenlohn. Ein Stundenlohn reichte für ein Brot. Heute werden viele Lebensmittel weggeworfen, weil sie nicht mehr die Wertschätzung erhalten, die sie verdienen. Sie sind zu billig. Die Erzeuger werden von denen belächelt, die eine 35-Stunden-Woche haben, mehrmals im Jahr verreisen, keine Ahnung von der Produktion haben, aber alles besser wissen.
Werner Kraus
Raubling
Wenn es nach den Parolen der Landwirt-Proteste geht, muss die Ampel-Regierung also weg oder besser gleich an den Galgen. Weshalb? Weil durch Streichung von Steuerbegünstigungen ein relativ geringer Bruchteil des Einkommens entfällt? Dabei ist das durchschnittliche Einkommen pro Hof in den letzten zwei Jahren um sagenhafte 91 Prozent gewachsen. Aber liegen nicht die wahren Ursachen für den Unmut der Landwirte in einer über Jahrzehnte fehlgeleiteten Agrarpolitik der EU? Und dies mit Beihilfe oder zumindest Billigung der Regierungen Merkel und (!) des Bauernverbandes? Sicher ist der Ampel-Regierung an anderer Stelle ein gewisses Maß an Dilettantismus vorzuwerfen, aber an der eigentlichen Misere der Bauernschaft trägt sie keine maßgebliche Schuld. Zu diesen Themen fehlt es an informativer Berichterstattung! Leserbriefe genügen nicht. Noch finden die Proteste breite gesellschaftliche Zustimmung; aber falls der Bogen überspannt wird und hierzu könnten weitere bei Rot überfahrene Ampeln und Bedrängung von Fußgängern durch dahin donnernde Traktoren – wie von unserer Tochter persönlich beobachtet – beitragen, dürfte eine weitere Spaltung der Gesellschaft in Deutschland nicht ausbleiben. Und wem nützt das?
Dr. Klaus Carsten
Bernau
Unsere Landwirte liefern uns das tägliche Brot. Jeder Bauer hat seine Funktion in unserem Ökosystem. Unsere Landwirte sind die Pfleger der Natur und der Landschaft. Es würde schlimm aussehen, wenn wir keine gepflegten Felder, Wiesen und Wälder hätten. Dann müssten die Bürger die Natur selbst pflegen, ihre eigene Kost erzeugen. Getreide, Gemüse und Obst im großen Stil selbst anbauen, wenn sie nicht ihre Lebensmittel von den USA, China oder anderen Ländern beziehen wollen. Aber sind deren Lebensmittel gesünder als unsere eigenen? Wohl kaum. Dennoch verdammen wir alles von unseren Bauern, Kühen, Schweinen, Schafen. Ich lebe für unsere Bauern, ihre regionalen Lebensmittel und die Natur.
Elisabeth Bernhard
Rosenheim
Als einer, der auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen ist, trage ich in mir immer Sympathien für den Bauernstand in mir, allerdings nicht für die europäische Agrarpolitik, die nur die großen Betriebe fördert. Der Vergleich, den das OVB allerdings mit der Situation der leibeigenen Bauern im Mittelalter anstellt, suggeriert Unterdrückung und wirkt aiwangerisch ähnlich wie „Wir müssen die Demokratie wieder zurückholen“. Wir leben noch in der Demokratie und die Bauernproteste der letzten Woche zeigen doch, was an freier Meinungsäußerung in unserem Land möglich ist. Gerade die Bauern und alle, die bäuerliche und in der christlichen Tradition begründete Wurzeln haben, sollten doch Vorreiter sein im respektvollen Umgang miteinander, die nichts verschleiert von der inhaltlichen und durchaus kämpferischen Auseinandersetzung.
Herbert Holzner
Stephanskirchen
Statt demonstrieren und starrer Haltung den Ernst der weltweiten Situation erkennen, verstehen und handeln. Wir alle werden radikal umdenken und unser Verhalten ändern müssen. Die verantwortlichen Politiker das Geldausgeben für andere Länder reduzieren. Mehr Verständnis für Hilfsbedürftige geben, vor allem für gerechte Entlohnung sorgen. Der Bauer sollte so wirtschaften, dass er im Einklang mit der Schöpfung lebt, dafür eine gute Bezahlung für seine Produkte bekommt. Die Gesellschaft-Verbraucher sollten umdenken und erkennen, dass sie dankbarer und wertschätzender sind, besonders für Lebensmittel, die alle Bauern 365 Tage im Jahr erwirtschaften, das wohl die meisten Verbraucher nicht bereit wären zu tun.
Ludwig Albrecht
Edling
Deutschland, Europa hat mit zusätzlichen Ausgaben für Migration, Klimawandel und Ukraine-Krieg zu kämpfen. Das Geld dafür fällt aber nicht vom Himmel und der ungezügelten Staatsverschuldung hat das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben. Das Geld für Staatsausgaben, auch für Subventionen, muss der Steuerzahler aufbringen und das ist der Endverbraucher, großteils weit weniger begütert als die Jammernden und Protestierenden der vergangenen Woche. Viele haben zu kratzen, um die eigene Miete zu bezahlen, von der Miete eines Stallplatzes für ein eigenes Pferd ganz zu schweigen. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Für ein soziales Miteinander sollte sich jeder überlegen, auf welcher Seite der Schere man sich befindet.
Josef Stein
Bad Endorf
Die Landwirtschaft hat mit ihren Protesten Unglaubliches geleistet. Die Aufmerksamkeit unserer Gesellschaft gegenüber der Landwirtschaft und vielen anderen Berufen hat eine enorme Bedeutung gewonnen und muss aber jetzt weitergeführt werden. Kein Politiker und Menschen unserer Gesellschaft haben vor den Protesten geglaubt, dass diese so dominant, aber auch so diszipliniert ablaufen. Die Landwirtschaft hat sich damit im Ansehen gegenüber der Bevölkerung ein großes Plus erarbeitet und auch andere Berufe animiert, gemeinsam unsere Politiker an ihre eigentlichen Aufgaben zu erinnern, nämlich das Volk zu vertreten. Jetzt ist es aber von größter Wichtigkeit, dass viele Punkte, die durch die Proteste angestoßen wurden, in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Themen wie Tierwohl, Hunderte Labels für Lebensmittel, Pflanzenschutz und Düngeverordnung dürfen nicht von irgendwelchen ideologisch angehauchten Aktivisten beeinflusst werden. Es müssen endlich real denkende Wissenschaftler und die Landwirtschaft gemeinsam Lösungen erarbeiten und umsetzen. Der Vorwurf aus der Gesellschaft „Bauern jammern immer“ muss entkräftet werden. Grundsätzlich muss aber als erste Priorität gelten, dass Bauern von ihrer Arbeit vernünftig leben können. Wir müssen uns auch alle bewusst sein, dass die Bauern die effektivsten Pfleger unserer Kulturlandschaft sind. Eine große Zahl landwirtschaftlicher Betriebe musste leider aus betriebswirtschaftlichen Gründen in der Vergangenheit schließen und wird dies noch tun. Aber diese Nebenerwerbslandwirte sind als Arbeitskräfte in der freien Wirtschaft höchst gefragt.
Adam Bürger
Haag
Ja, die Bauern haben es der jetzigen Regierung gezeigt. Ich glaube aber auch den Verbrauchern. Warum den Verbrauchern? Lebensmittel haben in Deutschland keinen Wert. Entscheidend ist der Preis und dass zu jeder Jahres- und Uhrzeit die Regale in den Supermärkten voll sind, egal wie viel am Ende des Tages weggeschmissen wird.
Man soll sich ja gesund ernähren, aber Obst und Gemüse kommen, insbesondere im Winter, überwiegend aus Spanien. Herangezogen unter einem Meer von Plastik, „gefüttert“ mit Grundwasser, das zu versiegen droht. Zurück nach Deutschland. Ich gehe davon aus, dass unsere bayerischen Politiker (Söder, Dobrindt, Aiwanger), die sich nun sehr solidarisch mit den Bauern erklären, immer schon im Hof- und Bioladen um die Ecke eingekauft haben!
Oder etwa nicht? Meine Mutter war Köchin von Beruf und hat uns Kindern immer wieder erklärt: „Lebensmittel wirft man nicht weg, sondern man zaubert aus Resterln noch ein gutes Gericht!“ Es gab der Jahreszeit entsprechendes Obst und Gemüse: Lageräpfel (nicht aus China), eingeweckte Kirschen, Zwetschgen, Birnen, Weiß- und Blaukraut, Kohlrabi, Karotten und manchmal Orangen. Gurken, Tomaten, Auberginen, Heidel- und Erdbeeren wachsen im Winter einfach (noch) nicht bei uns. Trotzdem sind sie in jedem Supermarkt zu finden, weil viele Verbraucher es so wünschen. Dieses Konsumverhalten hilft keinem regionalen Produzenten! Ich komme daher zum Schluss, nicht die „Ampel“ ist für die Misere verantwortlich, sondern zu einem Großteil die Verbraucher und die Supermarktketten mit ihrer stringenten Preispolitik.
Katharina Kristen
Kolbermoor