Zu den Leserbriefen „Es herrscht Unruhe im Land“ (Leserbriefseiten):
Dass jeder Leserbriefschreiber oder -schreiberin eine Meinung hat, von der er oder sie absolut überzeugt ist, das liegt in der Natur der Sache. Befremdlich finde ich aber, dass es in letzter Zeit zur Mode wird, Menschen mit einer anderen Meinung das selbstständige Denken (wahlweise die Bildung) abzusprechen. Meiner Wahrnehmung nach hat das in der Zeit der Corona-Pandemie begonnen. Viele von denen, die gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Infektion oder gegen die Impfung waren, haben alle anderen als dumme „Schlafschafe“ bezeichnet, die es angeblich verlernt hätten, selbst zu denken. Inzwischen wird das Gleiche, mutmaßlich von denselben Leserbriefschreibern und Leserbriefschreiberinnen, denjenigen vorgeworfen, die sich gegen Rechtsextremismus wehren und auf die Straße gehen. So geschehen kürzlich wieder in den Leserbriefen von Walter Hübel und Susanne Knogler. Muss man wirklich anderen das Denken absprechen, um seiner eigenen Meinung Gewicht zu verleihen? Ist es tatsächlich nicht (mehr) vorstellbar, dass andere auch selbstständig denken und dabei trotzdem zu einem anderen Ergebnis kommen als man selbst? Wer anderen vorwirft nichts zu hinterfragen, sollte selbst bereit sein – wenigstens gelegentlich – auch seine eigene Sichtweise zu hinterfragen.
Heidi Ilgenfritz
Brannenburg