Ganz andere Erfahrungen in St. Ottilien gemacht

von Redaktion

Zum Bericht „Das Leid hinter Klostermauern“ (Bayernteil):

Ich war von 1972 bis 1981 in St. Ottilien als Interner am Rhabanus-Maurus-Gymnasium, also genau in dem berichteten Zeitraum. Vorab möchte ich betonen, dass die inzwischen bekannt gewordenen Missbrauchsfälle in der Kirche durch nichts zu rechtfertigen sind, und die Kirche mit ihrer Art zur Aufklärung wenig beigetragen hat. Meine Erfahrungen in St. Ottilien unterscheiden sich aber grundsätzlich von denen wie im Artikel beschrieben. Drei Meter hohe Steinmauern sind mir zu keiner Zeit aufgefallen, auch das Wesen der Klausur ist falsch beschrieben. Ich hatte sogar den Schlüssel, um in der Sakristei der Klosterkirche Dinge, die wir im Seminar benötigten, zu holen. Wir waren auch immer wieder mit unserem Präfekten im Kloster, der uns zum Beispiel die Bibliothek oder das Refektorium zeigte. Von einem großem Mysterium also keine Rede. Möglicherweise verwechselt Herr „Neumann“ das Klostergelände mit dem Klostergarten, der tatsächlich von einer hohen Mauer umgeben ist. Drakonischen Strafen für das Zuspätkommen zur Studienzeit habe ich selber nicht erlebt, es sei denn, man empfindet das Nachsitzen nach dem Abendessen als eine solche. Freilich gab es auch hin und wieder körperliche Züchtigungen, was damals gesellschaftlich noch akzeptiert war. Sie waren aber nicht die Regel. Bruder Walto habe ich als gewissenhaften Krankenbruder kennengelernt, der sich täglich um die Wehwehchen von uns Schülern gekümmert hat. Nach Rücksprache mit Klassenkameraden hat keiner über Übergriffe berichtet. Die Frage, die sich stellt, ist aber: Warum wird die Geschichte, unabhängig davon, ob es tatsächlich einen Übergriff gegeben hat, jetzt anlässlich des Todes von Abt Wolf wieder hervorgeholt, nachdem die Sache schon 2010 erledigt schien? Da drängt sich der Verdacht auf, dass es hier nicht nur um die Sache geht, sondern möglicherweise andere Befindlichkeiten im Spiel sind.

Richard Diebald

Rosenheim

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