Zum Leserbrief „Fragwürdige Annahmen“:
Herr Schuster hat sich Gedanken über unsere Versorgungssicherheit mit Strom gemacht. Leider hat er isolierte Daten zu einem fragwürdigen Gesamtbild zusammengefügt. Dabei wurde die Komplexität des Sachverhaltes – wie so oft – außer Acht gelassen. Dies wiederum führt zu voreiligen Schlussfolgerungen.
In einem komplexen Versorgungssystem ist die Verfügbarkeit einer Komponente ohne Aussagekraft. Funktionale Redundanzen haben einen erheblichen Einfluss auf die Systemverfügbarkeit. Überdies muss berücksichtigt werden, dass Kraftwerkbetreiber gewollt Kapazitäten vom Netz nehmen, wenn ein Überangebot an Strom existiert. Dies reduziert künstlich die gemessene Verfügbarkeit. Zum Vergleich war etwa in Frankreich von Januar 2018 bis Mai 2022 durchschnittlich nur 66 Prozent der Kernkraftleistung (als primärer Stromerzeuger) zur Stromproduktion verfügbar. Demgegenüber lag dieser Wert bei Erdgas- und Wasserkraftwerken bei gut 90 Prozent (Quelle: „Energy Brainpool“). Zur Abhängigkeit von importiertem Atomstrom ist zu sagen, dass der Strommix im Überschuss-Stromimport lediglich 24 Prozent Atomstrom, bei gleichzeitig 50 Prozent Erneuerbarem, enthält. Ganz außer Acht wurde gelassen, dass wir uns in einem europäischen Stromverbund befinden. Von Abhängigkeit kann daher keine Rede sein.
Bei der Analyse des Zubaus von Kohlekraftwerken (weltweit 1400) ist ausschlaggebend nicht die Zahl, sondern die Gesamtleistung – und zwar die Differenz von Neubau zu gleichzeitiger Stilllegung von Kapazitäten. Gleichwohl stimmt es, dass seit Jahren die weltweite Kohleverstromung ansteigt. Dies ist jedoch kein Argument, die eigenen Anstrengungen aufzugeben.
Günter Lange
Kiefersfelden