Zum Bericht „Familienarbeit anerkennen“, Politik:
Zu Recht bemerkt die Expertin der Bertelsmann-Stiftung, dass Haushalt und Kinderbetreuung eher „unsichtbare“ Arbeiten seien. In einem Bewerbungsgespräch habe ich erlebt, wie eine Bewerberin ihren Lebenslauf erklärt und dabei einflicht: „Und dann habe ich zwölf Jahre nicht gearbeitet.“ Ich frage nach, ob sie in der Zeit vielleicht um die Welt gegondelt sei. Nein, sagt sie: „In der Zeit habe ich meine Kinder erzogen.“ Als Vater von vier Kindern war mir klar: Sie hat nicht „nicht gearbeitet“. Sie hatte in der Phase Zwölf-Stunden-Tage mit nächtlicher Rufbereitschaft an sieben Tagen in der Woche. Das ist schwere und zugleich wichtige Arbeit. Aber in unserer Gesellschaft gilt sie wenig. „Wer Schweine züchtet, gilt als produktiv, wer Kinder erzieht, gilt als unproduktiv“, soll der Ökonom Schumpeter sarkastisch kommentiert haben. Das muss sich ändern. Wir sind längst bereit, die Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern als Arbeit anzuerkennen und auch gut zu bezahlen – in Krippen, Heimen, Horten und Schulen. Dem gegenüber darf die Arbeit in der Familie nicht länger benachteiligt werden. Denn Gerechtigkeit entsteht nicht dadurch, dass man die Nachteile der Kindererziehung gleichmäßig zwischen Vätern und Müttern aufteilt. Gerechtigkeit entsteht dadurch, dass man die Benachteiligung der familiären Kindererziehung beendet.
Johannes Schroeter
Großkarolinenfeld