Zum Leserbrief „Hasspredigt statt Liebesbotschaft“ (Leserbriefseiten):
Leserbriefschreiberin Engelmann beklagt das respektlose „Politikerbashing“ seitens Journalismus, „sozialer Medien“ und Kabarettisten. Auch ich fand die Nockherberg-Rede von Maxi Schafroth „moralinsauer“, wenig inspirierend und seltsam humorlos. Da blickt man nostalgisch auf die „Predigten“ eines Bruno Jonas zurück oder in froher Erwartung auf den Auftritt von Django Asül beim Maibockanstich im Hofbräuhaus. Ich bin überzeugt, dass Satire und Kabarett nicht die Ursache für die Ausfälle und Übergriffe von „Wutbürgern“ auf Politiker sind.
Unter diesen Angriffen bleibt mir ein Vorfall in der Erinnerung, wo in einem Dorf im Chiemgau an einem Stand Steine in unterschiedlicher Größe zum Wurf auf Grünen-Politiker angeboten wurden. Die Lesung von Kabarettist Christian Springer mit Co-Autorin Kerstin Schweiger im Mühldorfer Kornkasten aus dem Buch „Bayerischer Mob – wie die Gewalt in die Politik einzog“ zeigte eindrucksvolle Beispiele von zunehmender Gewalt auf. Vor allem Spitzenpolitiker sollten sich der Wirkung von überzogenen und herabwürdigen Äußerungen bewusst sein. Hubert Aiwanger mit seinem Auftritt bei der Demo in Erding und auch Markus Söder mit seiner unreflektierten Aschermittwoch-Rede, aber besonders die AfD liefern „Munition“ für Politikerbashing. Ganz aktuell sprach AfD-Politiker Stefan Brandner bei der Konstituierung des Bundestages hinsichtlich der bürgerlichen Parteien von „Kartell-Parteien“ und „Mischpoke“. Das Sammeln von Ordnungsrufen als „Trophäen“ wird anscheinend als erstrebenswert angesehen. Dass in ihren Reihen ein Abgeordneter sitzt, der sich als „freundliches Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnet, lässt nichts Gutes erwarten.
Es ist offensichtlich, dass die komplexen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen viele Bürger überfordern, verunsichern und möglicherweise zur Radikalisierung beitragen. Die „Friedensdividende“ scheint aufgebraucht zu sein.
Gert Hilger
Waldkraiburg