Zur Berichterstattung über die gescheiterte Wahl der drei neuen Richter für das Bundesverfassungsgericht und dem Kommentar „Im Richterstreit gibt es nur einen Ausweg“ (Politikteil):
Die öffentliche Diskussion um die Kandidatur von Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht hat eine bedenkliche Wendung genommen. Statt sich mit ihren fachlichen Qualifikationen auseinanderzusetzen, wird sie zur Symbolfigur einer angeblichen Spaltung stilisiert – eine rhetorische Konstruktion, die einer „Täter-Opfer-Umkehr“ gleichkommt. Brosius-Gersdorf wurde Ziel massiver Kritik und persönlicher Diffamierung, bis hin zu Bedrohungen.
Ihre wissenschaftlichen Positionen – etwa zur Rechtslage bei Schwangerschaftsabbrüchen – wurden vielfach verzerrt dargestellt. Dass nun ausgerechnet sie aufgefordert wird, ihre Kandidatur zurückzuziehen, „um weiteren Schaden zu vermeiden“, kehrt die tatsächlichen Verantwortlichkeiten auf beunruhigende Weise um. Diese Rhetorik verschiebt die Debatte: Nicht mehr die Qualität des Verfahrens steht im Mittelpunkt, sondern die Unterstellung, eine rechtswissenschaftlich profilierte Frau gefährde die gesellschaftliche Stabilität – nicht durch ihre Arbeit, sondern durch die öffentlichen Reaktionen auf sie.
Juristen sind geschult, streng zwischen eigener Überzeugung und rechtlichem Sachverhalt zu differenzieren. Ansonsten gäbe es keine Rechtsstaatlichkeit und auch kaum Verteidiger für Schwerkriminelle. Es ist bedenklich, wenn sich eine Demokratie darin übt, Druck auf qualifizierte Kandidatinnen auszuüben, statt sie gegen unsachliche Kampagnen zu verteidigen. Wenn sich künftig Juristinnen oder Wissenschaftlerinnen zurückziehen müssen, damit die Angreifer aus rechten und konservativen Kreisen „nicht noch lauter werden“, verlieren wir nicht nur Talente, sondern auch unsere politische Haltung.
Günter Lange
Kiefersfelden
Ein Kommentar in einer Zeitung ist eine Meinungsäußerung, die ich grundsätzlich zur Kenntnis nehme, ohne mich an der Stelle dazu zu verhalten. Hier stelle ich mir allerdings die Frage, ob Herr Anastasiadis die Reichweite seiner Aussage wohl erwogen hat, dass es der Demokratie schade, wenn eine politische Partei vom Bundesverfassungsgericht verboten werde. Mit anderen Worten: Darf eine politische Partei verfassungswidrige Ziele verfolgen, wenn sie die zweitmeisten Stimmen bei einer Wahl gewinnt?
Einem solche Staats- und Verfassungsverständnis müsste ich als Staatsbürger und Jurist heftig widersprechen. Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig (Art. 25 Abs. 2 GG). Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass dies bei einer Partei (welcher Größe auch immer) der Fall ist, muss es sie verbieten. Die Abgeordneten einer solchen Partei verlieren danach zwangsläufig ihr Mandat. Das ist zum Schutz unserer Demokratie zwingend geboten.
Christian Armborst
Rosenheim