Lückenhafte Atomkraft-Rechnung

von Redaktion

Zum Leserbrief „Nur die Kernkraft verspricht eine Rettung“ (Leserbriefseiten):

Wenn ein Leserbrief für Atomkraft von einem Doktor geschrieben ist, schaut man sich den natürlich genauer an. Leider weiß ich nicht, in welchem Fach der Doktortitel erworben wurde: In Physik oder BWL kann es nicht sein, denn der Leserbrief hat viele Zahlen, aber auch viele Lücken.

Ob fehlerhafte Zahlen dabei sind, kann man leider nicht nachprüfen, da keinerlei Quellen angegeben sind. Aber zurück zu den Lücken. Wo sind die Personalkosten? Ich habe einen Freund, der im AKW Gundremmingen arbeitet. Von ihm weiß ich, dass während des Betriebs 600 bis 800 Mitarbeiter beschäftigt waren. Derzeit sind es etwa 450 beim Abbau. Bei einem Gaskraftwerk sind es laut Google-Suche typischerweise nur 100. Bei Personalkosten von 80.000 Euro pro Jahr und Mitarbeiter (Lohn, Sozialabgaben, Fortbildung und so weiter) stehen bei den 25 Jahren also 1,2 Milliarden Euro beim AKW (bei 600 Mitarbeitern) 200 Millionen Euro gegenüber.

Aber die größten Unkosten für das AKW kommen ja noch: Die Endlagerkosten für den radioaktiven Müll für eine Million Jahre. Neben den Kosten für die Fläche fallen natürlich auch hier Personalkosten, Wartungskosten und so weiter an. Ein unbezifferbarer Betrag.

Abhängig macht man sich bei den Brennstoffen allemal, somit sind beide Wege schlecht. Wind und Sonne gibt es aber auch bei uns. Und die Batteriespeicher können bequem unter den Solarpanelen stehen.

Noch etwas sollte erwähnt werden, was den meisten Bürgern gar nicht bewusst ist: Der Aufbau und der Abbau der AKW ist staatlich subventioniert. Allein RWE erhält 8 Milliarden Euro für den Rückbau seiner vier Kraftwerke. Die fetten Gewinne während des Betriebs jedoch flossen an den Konzern.

Andreas Hengstebeck

Prien

Wenn ich den Leserbrief von seiner Kosten-/Nutzenberechnung über die Erzeugung von Strom durch Kernkraftwerke lese, sträuben sich bei mir die Nackenhaare. Bei seinem Kostenvergleich wird die strahlende, radioaktive Müllbeseitigung, sprich Endlagerung, nicht miteinbezogen.

Bei der Herstellung eines Produktes, hier kostengünstiger Strom, fällt naturgemäß auch Müll an. Für diese Beseitigung ist der Hersteller/Produzent verantwortlich. Er kalkuliert die dafür anfallenden Kosten in sein Produkt (Strom) mit ein. Leider wird gerade bei der wirtschaftlichen Betriebsweise von Kernkraftwerken immer wieder bewusst vergessen, dass die Zeche einer Endlagerung (radioaktiver Müll) der Verbraucher, sprich Steuerzahler, zu zahlen hat.

So gesehen stellt sich für die atombetriebenen Kraftwerke und deren Betreiber eine kostengünstige Stromerzeugung dar. Wenn dann noch ein goldener Handschlag (von der Politik vergeben) wegen der vorzeitigen Beendigung der Laufzeiten von Kernkraftwerken bei den Stromproduzenten gerichtlich erstritten wird, reibe ich mir verwundert die Augen, wenn ich dann fettgedruckt im OVB lese: „Nur die Kernkraft verspricht eine Rettung“. Mit Sicherheit aber keine, wie der bayerische Ministerpräsident empfiehlt, durch kernkraftbetriebene Mini-Meiler in der Bundesrepublik. Oder werden diese nur im Freistaat zum Einsatz kommen?

Bevor weiter über eine Wirtschaftlichkeit von Atomkraftwerke nachgedacht wird, sollte doch erst einmal das noch immer ungelöste Thema einer sicheren Endlagerung, von strahlendem, radioaktivem Müll für unsere nachfolgenden Generationen gelöst werden.

Rainer Tschichholz

Kolbermoor

Der Autor stellt in seinem Leserbrief die Bau- und Betriebskosten sowie die Bauzeiten für AKW denen für Gaskraftwerke gegenüber und sieht darin Erstere auf lange Sicht finanziell im Vorteil. Doch wie realistisch sind seine Annahmen?

Ein AKW mit 1000 Megawatt Leistung für fünf Milliarden Euro bei einer Bauzeit von sechs Jahren? Das jüngst in Betrieb gegangene französische AKW in Flamanville (EPR mit 1600 MW) sollte für gut drei Milliarden Euro innerhalb von fünf Jahren gebaut werden. Schließlich ging es nach 17 Jahren in Betrieb und kostete den französischen Steuerzahler 24 Milliarden Euro. Der französische Rechnungshof stellt dem Reaktor ein katastrophales Zeugnis für die Wirtschaftlichkeit aus. Um über 60 Jahre wirtschaftlich zu arbeiten, müsste der Strom für 14 Cent pro Kilowattstunde verkauft werden, bei einem derzeitigen Industriestrompreis von 4 Cent pro kWh.

Nicht viel anders stellt sich die Sachlange in Großbritannien dar: Der dortige Reaktor Hinkley Point C ist noch im Bau, zwei Reaktorblöcke EPR mit je 1,6 Gigawatt für ursprünglich 20 Milliarden Euro. Doch wie sieht die Realität aus? Die Bauzeit verlängert sich von geplanten 13 auf 18 Jahre, die Kosten steigen auf etwa 38 Milliarden Euro. Der Preis für eine kWh wird um die 15 Cent liegen.

Zieht man für die Rentabilitätsberechnungen also realistische Annahmen heran, so erkennt man, dass der Strom aus AKW der teuerste ist. Und dabei hat der Leserbriefschreiber noch kein Wort darüber verloren, wie sich die Kosten der Entsorgung auswirken. Vielleicht meint er, weil es ja noch keine Endlagerung gibt, brauche man deren Kosten auch gar nicht einbeziehen. Auch mehrere Milliarden Euro Kosten für den Rückbau eines AKW fehlen in der Kalkulation.

Peter Hetterich

Großkarolinenfeld

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