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Wohnen für Hilfe

von Redaktion

von helga riedel

Der Wunsch, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu leben, erfüllt sich in Deutschland für die meisten Senioren. Laut dem 2016 veröffentlichten „siebten Altenbericht der Bundesregierung“ leben „von den über 65-Jährigen weiterhin fast 95 Prozent in ihren oftmals schon über Jahrzehnte genutzten Wohnungen, die mehrere Lebensphasen miterlebt haben“. So wie Josef, den Reporter der ZDF-Sendung „37 Grad“ ein paar Tage begleitet haben. Der 92-Jährige lebt noch immer in dem Haus mit Garten, in dem seine Kinder aufgewachsen sind. Er hält sich mit Sport fit, schmeißt den Haushalt und hat vor ein paar Monaten sogar das Zimmer seines Sohnes eigenhändig renoviert. In dem lebt nun der 24-jährige Student Mustafa.

Zu verdanken haben sie ihre ungewöhnliche Wohngemeinschaft dem Projekt „Wohnen für Hilfe“. Die Idee dahinter: Viele Senioren verfügen über reichlich Platz und könnten ein wenig Unterstützung im Alltag gebrauchen. Auf der anderen Seite sind günstige Zimmer für Studenten in den Universitätsstädten Mangelware. Was liegt da näher, als beide Gruppen, deren Bedürfnisse sich perfekt ergänzen, zusammen zubringen? So wie Mustafa und Josef, der sich seit dem Tod seiner Frau vor einem Jahr sehr einsam fühlte und sich ein wenig Hilfe vor allem bei Gartenarbeiten wünschte. Student Mustafa, der vor sechs Jahren allein aus dem Iran gekommen ist, profitiert von der günstigen Miete. Denn er bezahlt lediglich die anfallenden Nebenkosten. Für sein zwölf Quadratmeter großes Zimmer muss er Josef nach den Regeln bei „Wohnen für Hilfe“ zwölf Stunden im Monat unterstützen.

Anlaufstellen

Das 1992 entwickelte Projekt „Wohnen für Hilfe“ gibt es heute in 34 Universitätsstädten, darunter München und Freising. Träger sind in unterschiedlichen Kombinationen Hochschulorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Vereine und Kommunen. In München ist der Seniorentreff Neuhausen Träger des Projekts. Eine Übersicht, in welchen Städten „Wohnen für Hilfe“ angeboten wird, sowie die jeweiligen Anlaufstellen, findet man im Internet unter „Wohnen für Hilfe in Deutschland“ (www.hf.uni-koeln.de/30204).

Mittlerweile wendet sich das Projekt jedoch nicht mehr ausschließlich an Studierende. Denn auch junge Leute, die in größerer Entfernung zum Elternhaus eine Ausbildung absolvieren, sind auf günstigen Wohnraum angewiesen. Die etwas andere WG-Vermittlung gibt es deshalb zunehmend auch in kleineren Städten, wie etwa seit diesem Jahr in Landsberg am Lech und Fürstenfeldbruck. Ob in der eigenen Gemeinde ein vergleichbares Projekt existiert, erfährt man in der Regel beim Sozialreferat der Kommunalverwaltung.

Partner finden

Damit das Zusammenleben für beide Seiten möglichst reibungslos funktioniert, müssen im Vorfeld Erwartungen und Wünsche klar definiert werden. Die Mitarbeiter des Projekts legen dafür meist von allen „Vermietern“ und Zimmersuchenden Profile an. Wichtig sind dabei sowohl Gewohnheiten, Hobbys und Tagesablauf, als auch die gewünschte Unterstützung – etwa Einkaufen, Gartenarbeiten oder zum Arzt begleiten. Pflegeleistungen jeglicher Art sind prinzipiell ausgeschlossen. So versuchen sie, möglichst gut harmonierende Wohn-Partner zu finden.

Je nach Vermittlungsstelle unterschiedlich ist die Kostenfrage. In einigen Städten ist die aufwändige Vermittlung kostenlos, in München werden für Studierende drei Euro Anmeldgebühr berechnet, bei erfolgreicher Vermittlung werden von beiden Parteien jeweils 25 Euro fällig. In Starnberg kostet der gleiche Service für den Vermieter 75 Euro und für den Mieter 50 Euro. Einige Eckdaten sind aber bei allen gleich:

-Pro Quadratmeter Wohnfläche eine Stunde Hilfe im Monat

-Die Nebenkosten trägt der Mieter

-Die Probezeit beträgt vier Wochen

-Die Mindestmietdauer liegt bei einem Jahr

-Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen (möblierte Zimmer zwei Wochen zum Monatsende, unmöblierte Räume oder Einliegerwohnungen drei Monate)

-Keine Pflegeleistungen

-Schriftlicher Vertrag

Vertrag schließen

Nach Kennenlernen und Probewohnen schließen beide Wohnpartner mit Unterstützung der Vermittlungsstelle einen Vertrag. Ein möglichst detaillierter Vertrag ist dabei kein Ausdruck von Misstrauen, sondern die beste Basis für ein harmonisches Miteinander. In jedem Fall sollten folgende Punkte enthalten sein:

-Den oder die Räume zur alleinigen Nutzung mit genauer Quadratmeterangabe

-Räume und Gegenstände der gemeinschaftlichen Nutzung wie Bad, Küche, Balkon oder Terrasse, Waschmaschine mit Angabe von Nutzungszeiten

-Dauer des Mietvertrags und Kündigungsfristen

-Miete

-Kaution

-Nebenkosten und deren Abrechnungsmodalitäten

-Allgemeines zu den Themen Schlüssel, Einrichtung, Reparaturen, Renovierung beim Auszug, Tierhaltung

Wichtig ist außerdem ein Anhang, der die gegenseitigen Erwartungen definiert. Dazu gehört zum Beispiel:

-Die Stundenzahl und die Art der Hilfeleistung

-Zeiten für die Hilfeleistung (täglich, wöchentlich, bei Gelegenheit)

-Verrechnung von Stundendifferenzen am Monatsende

-Regelungen für die jeweilige Abwesenheit (etwa am Wochenende oder in den Semesterferien)

-Regelungen für den Krankheitsfall

Versicherungen

Nötig sind zwei Versicherungen, und zwar eine Haftpflichtversicherung, die aber grundsätzlich jeder haben sollte. Außerdem muss man bei allen Hilfstätigkeiten über einen Unfallschutz verfügen. Auskünfte dazu gibt es bei den Vermittlungsstellen.

Mehr Informationen

Das sechsseitige Dossier gibt es unter der Fax-Abrufnummer 09001/25 26 65 52

(1 Minute = 0,62 Euro) bis 10. November. Das Fax-Gerät auf „Polling“ oder „Sendeabruf“ stellen, Fax-Service-Nummer wählen und Starttaste drücken. Kein Fax? Dann senden Sie einen mit 0,85 Euro frankierten Rückumschlag plus 1,45 Euro in Briefmarken unter dem Stichwort „Wohnen für Hilfe“ an: Versandservice, Lerchenstr. 8, 86938 Schondorf

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