Energie

Der Strom und der Schwarze Peter

von Redaktion

Von Rolf Schraa

Stromkunden in Deutschland müssen auch 2018 tief in die Tasche greifen. Obwohl die staatlichen Umlagen leicht zurückgehen und viele Konzerne 2017 etwas weniger für die Strombeschaffung im Großhandel zahlen mussten, sinkt der Preis für die Haushaltskunden zum Jahresbeginn kaum. Der deutsche Strompreis bleibt damit insgesamt auf einem der Spitzenplätze in Europa.

Versorger machen Staat verantwortlich

Verbraucherschützer kritisieren, dass Versorger Entlastungen nicht an die Endkunden weitergäben. Die Branche ihrerseits spielt den Schwarzen Peter weiter: Die staatlichen Umlagen machten weiter mehr als die Hälfte des Gesamtpreises aus, erklärte der Chef des Branchenverbandes BDEW, Stefan Kapferer. Den Stromanbietern bleibe kaum noch Spielraum für die Preisgestaltung.

Flächendeckende Erhöhung bleibt aus

Kurz vor dem Ende der Ankündigungsfrist für mögliche Preiserhöhungen an diesem Montag – sechs Wochen vor Jahresbeginn – verzeichnete das Vergleichsportal Verivox 39 Versorger mit Preissenkungen für Anfang 2018 um im Schnitt 2 Prozent, zugleich aber 42 Anbieter mit Erhöhungen um durchschnittlich 2,8 Prozent. Ähnlich ausgeglichen sieht das Portal Check24 die Situation: Auf 15 Stadtwerke und andere Stromanbieter mit Preissenkungen um durchschnittlich 2 Prozent kommen 13 Anbieter, die im neuen Jahr die Preise um 2,4 Prozent erhöhen. Flächendeckende Erhöhungen bleiben den Verbrauchern – anders als im Vorjahr – erspart. Auch die vier größten Versorger Innogy (RWE), Eon, EnBW und Vattenfall halten die Preise über den Jahreswechsel stabil, wie Sprecher erklärten. Aber sie senken sie eben auch nicht.

Großhandelspreise sind rückläufig

Dabei haben die Energiekonzerne für den eigenen Einkauf an der Strombörse 2017 moderate Preise gezahlt – von Januar bis Oktober gingen die Großhandelspreise im Vorjahresvergleich nach Rechnung von Verivox um 3 Prozent zurück. Rückläufig sind fast in ganz Deutschland auch die sogenannten Netzentgelte für den Ausbau und Betrieb des Stromnetzes, die allein etwa ein Viertel des Strompreises ausmachen.

So verringern sich laut einem internen Papier der Bundesnetzagentur die Entgelte in den Verteilnetzen für Haushaltskunden um 8 bis 15 Prozent in Ost- und Mitteldeutschland und etwa 2 Prozent im Westen. Hinzu kommen eine leichte Senkung der EEG-Umlage zur Finanzierung der Energiewende im neuen Jahr und die Verringerung weiterer Lasten für den Strompreis wie der Kraft-Wärme-Kopplungs-Umlage. „Die meisten der über 800 Grundversorger halten die Preise zum Jahreswechsel stabil, obwohl es – zumindest regional – deutlich mehr Spielraum bei den Versorgern geben müsste“, kritisierte Mathias Köster-Niechziol von Verivox. „Stromversorger argumentieren sich um Kopf und Kragen, wenn sie Strompreiserhöhungen begründen oder eigentlich mögliche Senkungen ablehnen“, sagte der Energieexperte Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. Häufig hätten sie in den vergangenen Jahren auch mit dem Trick gearbeitet, Preiserhöhungen nicht zum Jahresbeginn, sondern einige Wochen später zu verkünden.

Die meisten Kunden bezahlen zu viel

„Den Tarif zu überprüfen und einen Anbieterwechsel in Betracht zu ziehen, sollte zur Routine aller Stromkunden werden“, riet Sieverding (siehe Kasten). Immerhin sind drei Viertel der Verbraucher noch Kunden ihres angestammten Regionalversorgers – zumindest im sogenannten Grundversorgungstarif zu vergleichsweise hohen Preisen. Mit einem Wechsel zum Anbieter mit dem besten Preis ließen sich nach Schätzungen von Verivox bundesweit mehr als neun Milliarden Euro pro Jahr sparen.

Strom kostet für Haushaltskunden aktuell durchschnittlich 29,2 Cent pro Kilowattstunde. Der Preis hat sich damit seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Deutschlands Stromkunden müssen im Schnitt zwischen 1100 und 1400 Euro jährlich für die Versorgung eines vierköpfigen Durchschnittshaushalts (4000 Kilowattstunden) zahlen.

Rekord bei Ökostrom

Bis Mitte November ist laut Berechnungen des Energiekonzerns Eon so viel Strom aus erneuerbaren Quellen in einem Jahr erzeugt worden wie nie zuvor. „Von Anfang Januar bis Mitte November haben alle Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen bereits 131 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom produziert und damit schon jetzt mehr als im gesamten Jahr 2016“, sagte Robert Hienz, Geschäftsführer bei Eon, in München. 2016 kamen die Windparks, Photovoltaik- und Wasserkraftanlagen demnach auf insgesamt 129 Milliarden kWh, 2015 auf rund 126 Milliarden kWh.

Die Zunahme an Ökostrom dürfte Eon zufolge zum einen an den Herbststürmen gelegen haben. „Sowohl Sturm ,Xavier‘ als auch Sturm ,Herwart‘ hatten im September und Oktober die Windstromerzeugung auf neue Höchstwerte katapultiert“, teilte das Unternehmen mit. Zum anderen schien vor allem im Süden deutlich häufiger die Sonne als im Vorjahr, wie der Deutsche Wetterdienst berichtete. Dort sind die meisten der rund 1,6 Millionen Solaranlagen installiert. Zählt man nach einer Definition des Umweltbundesamts nicht nur die Faktoren Wasserkraft, Windenergie und Photovoltaik, sondern auch Biomasse, den „biogenen“ Anteil des Abfalls und die Geothermie zu den erneuerbaren Energien, dann hat sich deren Gesamtanteil an der Stromerzeugung in Deutschland seit 1990 verzehnfacht. 2016 machten erneuerbare Energiequellen mit 188,2 Milliarden kWh rund 29 Prozent der Bruttostromerzeugung aus – 1990 waren es nur 3 Prozent.

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