Paragraf 2303 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) lautet: „Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügungen von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er vom Erben den Pflichtteil verlangen“. Da die Tochter in dem Erbvertrag nicht als Erbin eingesetzt ist, sondern (nur) ein Vermächtnis erhält, wird ihr sowohl nach dem Tod von Mutter, als auch nach dem Tod des Vaters dem Grunde nach ein Pflichtteilsanspruch zustehen. Und natürlich muss sie sich, der gesetzlichen Regelung des § 2307 zufolge, das, was Sie bei Einforderung des Vermächtnisses erhält, auf ihren Pflichtteil anrechnen lassen.
Diese für Vermächtnisse vorgesehene Anrechnung gilt nicht generell für lebzeitige Schenkungen. Hierzu müssen Sie den Schenkungsvertrag nachlesen. In einer guten notariellen Urkunde sollte enthalten sein, ob eine Schenkung unter Lebenden auf spätere Erb- oder Pflichtteilsansprüche angerechnet werden muss, entweder mit der positiven Anordnung, dass angerechnet wird, oder mit der klaren negativen Ansage, dass – entgegen bestimmten gesetzlichen Anrechnungsvorschriften – keine Anrechnung zu erfolgen hat.
Unterstellt, der Schenkungsvertrag sieht die Anrechnung vor: Dann wird der rechnerische Pflichtteil durch den Wert der Immobilienüberlassung gekürzt. Geht der Wert der Zuwendung über den rechnerischen Pflichtteil hinaus, entfällt dieser.
Unterstellt, der Überlassungsvertrag an die Tochter enthält keine Anrechnungsklausel bezüglich der Immobilie in Österreich, so könnte die Tochter grundsätzlich den vollen Pflichtteil verlangen. Dem können Sie noch dadurch entgegenwirken, dass Sie das vorhandene Vermögen lebzeitig auf Ihren Sohn übertragen (gegebenenfalls gegen Nießbrauch). Denn dann stünden Ihrer Tochter lediglich Pflichtteilsergänzungsansprüche zu. Und auf diese sind alle lebzeitigen Zuwendungen anzurechnen. Man spricht von der „Flucht in die Pflichtteilsergänzung“.