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Der überschuldete Nachlass

von Redaktion

Manchmal steckt hinter einer Erbschaft nicht der erhoffte plötzliche Reichtum, sondern das absolute Gegenteil: ein Berg von Schulden. Um diese nicht aus eigener Tasche tilgen zu müssen, können Erben eine Erbschaft ausschlagen. Darauf weist die Stiftung Warentest hin. Wie man eine Erbschaft ausschlägt und was es dabei zu beachten gilt, berichtet die Mai-Ausgabe der Zeitschrift „Finanztest“.

Sechs Wochen Zeit fürs Ausschlagen

Die Frist dafür beträgt nur sechs Wochen. Lebte der Verstorbene im Ausland oder hält sich der Erbe außerhalb von Deutschland auf, verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Sie beginnt unter zwei Voraussetzungen: Der Erbfall muss eingetreten sein, und der Erbe muss wissen, dass ihm die Erbschaft zugefallen ist. Weiß er Bescheid und lässt die Frist verstreichen, ist das eine Annahme. Er wird Erbe – ob er will oder nicht. Helfen kann manchmal eine Anfechtung der Annahme – etwa, wenn der Erbe nicht wusste, dass er innerhalb von sechs Wochen ausschlagen muss.

Nachlass ordnen und Konten sichten

Herauszufinden, was im Nachlass steckt, ist nicht immer leicht. Erben haben zwar ein Recht darauf, bei Banken Auskunft zu bekommen. Sie müssen dazu meist einen Erbschein vorlegen, ein Dokument, das sie zum Beispiel beim Nachlassgericht beantragen können und sie als Erben ausweist. Der Haken: Holt sich der Erbe einen Erbschein, wird darin eine Annahme der Erbschaft gesehen. Ein Ausschlagen ist dann nicht mehr möglich. Gibt es ein notarielles Testament, brauchen Erben nicht unbedingt einen Erbschein.

Oft regeln Bankkunden, wer nach ihrem Tod auf ihr Konto zugreifen darf. In einer Kontovollmacht „über den Tod hinaus“ oder einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigen sie zum Beispiel nahe Angehörige. Der Bevollmächtigte hat Zugriff auf die Konten und kann sich einen Überblick über das Vermögen, laufende Zahlungen und etwaige Schulden verschaffen. Erben, die keinen Zugriff auf die Konten haben, sollten – wenn möglich – in der Wohnung des Verstorbenen nach Hinweisen zu dessen finanzieller Lage suchen. Aufschluss geben können Kontoauszüge und Rechnungen sowie Post von Ämtern und Gerichten. Auch Auskünfte von Verwandten und Freunden können hilfreich sein: Wie lebte der Verstorbene, wofür gab er sein Geld aus?

Wissen, wem der Nachlass zufällt

Die sechswöchige Frist, die dem Hinterbliebenen für die Ausschlagung bleibt, läuft, sobald er weiß, dass er Erbe ist. Das muss ihm in der Regel nicht offiziell bekannt gegeben werden, etwa durch das Nachlassgericht. Es gilt: Wenn der Erbe sein Verwandtschaftsverhältnis zum Verstorbenen kennt, ist davon auszugehen, dass er auch weiß, dass er gesetzlicher Erbe ist. Nahe Verwandte können sich also nicht darauf berufen, sie hätten die Frist verpasst, weil sie sich nicht für Erben gehalten haben.

Anders sieht es aus, wenn ein Verstorbener ein Testament hinterlassen und eine Person zum Erben gemacht hat, mit der er nicht verwandt war. Vielleicht erfährt der im Testament benannte Erbe erst nach der Testamentseröffnung von seiner Erbenstellung. Die Frist beginnt erst dann zu laufen. Der Erbe kann sich aussuchen, ob er die überschuldete Erbschaft bei einem Notar oder direkt beim Nachlassgericht ausschlägt. Die Ausschlagung bei Gericht verursacht weniger Kosten. Zuständig sind sowohl das Nachlassgericht am eigenen Wohnsitz als auch das am letzten Wohnsitz des Verstorbenen. Der Erbe muss bei Gericht erscheinen oder einen Bevollmächtigten schicken. Die Vollmacht muss aber öffentlich beglaubigt sein.

Ausschlagung verursacht Kosten

Fürs Ausschlagen fallen bei Gericht und Notar Gebühren an, die sich nach dem Wert des Nachlasses richten. Ist der Nachlass überschuldet, muss der Erbe bei Gericht nur eine Mindestgebühr von 30 Euro zahlen. Wer das Erbe aus anderen Gründen ausschlägt – etwa weil es sich um ein sanierungsbedürftiges Haus handelt –, muss tiefer in die Tasche greifen. Je höher der Wert der ausgeschlagenen Erbschaft, desto mehr zahlt der Erbe.

Gesetzliche Erbfolge zählt

Wer eine Erbschaft ausschlägt, löst einen Dominoeffekt aus. Sagt der Erste nein, landet der Nachlass beim Nächsten in der gesetzlichen Erbfolge. Lehnt auch dieser ab, wandert die Erbschaft weiter. Den Weg des Schuldenbergs gibt die gesetzliche Erbfolge vor. Sie regelt, dass Verwandte in einer bestimmten Rangfolge erben. Ehe- und eingetragene Lebenspartner haben ein spezielles gesetzliches Erbrecht. Ansonsten stehen Kinder an erster Stelle, dann Enkel oder Urenkel. Wenn der Verstorbene keine hat, erben seine Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen. Landet die überschuldete Erbschaft bei minderjährigen Kindern, müssen die sorgeberechtigten Eltern auch für diese ausschlagen.

Gibt es ein Testament und der Erbe möchte das ihm Zugesprochene nicht haben, wird der Nachlass ebenfalls nach der gesetzlichen Erbfolge verteilt. Auch der neue Erbe hat sechs Wochen Zeit, die Erbschaft auszuschlagen. Die Frist beginnt, wenn ihm das Nachlassgericht mitteilt, dass er Erbe geworden ist. Haben alle Erben ausgeschlagen, landet die Erbschaft beim Staat. Dieser kann zwar nicht ablehnen, haftet aber auch nicht für die Schulden. Die Gläubiger gehen leer aus.

Kaum ein Zurück nach Ausschlagung

Ist die Erbschaft doch nicht überschuldet, gibt es kaum ein Zurück. Der Erbe kann die Ausschlagung zwar anfechten, aber nur aus bestimmten Gründen, etwa, wenn er nicht wusste, dass eine bestimmte Forderung zum Erbe gehört. Wie in diesem Fall: Eine Frau schlug den vermeintlich überschuldeten Nachlass ihrer Nichte aus, die bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Später erfuhr sie, dass zum Nachlass auch Schadenersatzansprüche gegen die Fluggesellschaft gehören. Ihre Anfechtung hatte Erfolg (Oberlandesgericht Düsseldorf, Az. 3 Wx 12/16). mm

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