Eine Recherche der Zeitschrift „Finanztest“ ergab: Angesichts anhaltend niedriger Zinsen kann rund ein Drittel der Unternehmen mit den Kapitalerträgen die Garantieverpflichtungen nicht mehr erfüllen. Im Jahr 2016 schafften dies 27 Unternehmen nicht. 19 Versicherer konnten sowohl 2015 als auch 2016 die garantierte Verzinsung mit Kapitalerträgen nicht mehr bedienen.
Ein Blick auf die Lage:
-Der Garantiezins für neue Verträge ist drastisch gesunken.
-Die Branche hat Produkte mit weniger Garantien auf den Markt gebracht.
-Die Lebens- und Rentenversicherer müssen eine Zinszusatzreserve als Puffer bilden.
-Die auf die Versicherten entfallenden Kapitalerträge vieler Unternehmen reichen nicht mehr aus, um die Garantieverpflichtungen für die Kunden zu erfüllen.
Garantiezins liegt nur noch bei 0,9 Prozent
Der Garantiezins betrug bei einem 1999 abgeschlossenen Vertrag noch 4,0 Prozent für die gesamte Vertragslaufzeit. Bei einem Vertrag von heute sind es nur noch 0,9 Prozent. Diesen Zins gibt es jedoch nicht auf den gesamten Beitrag, sondern nur auf den Sparanteil. Bei Versicherern mit hohen Kosten bleibt vom Zins kaum etwas übrig. Wollen Kunden mehr sparen als bei Vertragsbeginn vereinbart und ihren Beitrag jetzt aufstocken, wird dieses zusätzliche Geld nach Abzug der Kosten bei vielen Unternehmen nur mit 0,9 Prozent verzinst. Es sei denn, die Vertragsbedingungen regeln etwas anderes.
Besonders bitter: Dies gilt auch für Riester-Verträge. Gerade in diesen Verträgen ist eine Beitragserhöhung unvermeidbar. Die Regel lautet: Verdient der Kunde mehr, muss er auch mehr einzahlen, damit er die volle staatliche Förderung bekommt. Für diese Förderung muss der Vorsorgesparer inklusive Zulagen vier Prozent seines Einkommens jährlich sparen. Auch wenn Kinderzulagen wegfallen, muss der Riester-Sparer dies mit eigenem Geld ausgleichen, wenn er weiterhin die volle Grundzulage von 175 Euro möchte.
Viele Anbieter ziehen sich zurück
Weil ihnen die Garantien zu teuer und zu einem Risiko für sie geworden sind, sind viele Versicherer ganz aus dem Geschäft der klassischen Lebens- und Rentenversicherung mit ihrer garantierten Mindestverzinsung ausgestiegen. Gleiches gilt für die klassische Riester-Rente.
Sie trauen sich offenbar nicht einmal mehr zu, neuen Kunden den niedrigen Garantiezins von 0,9 Prozent fest zuzusagen. Stattdessen verkaufen sie lieber neue Produkte mit abgesenkten Garantien, die sogenannte Neue Klassik. Sie eignen sich nicht als absolut sicher planbare Altersvorsorge. Höhere Überschüsse – als Ausgleich für weniger Garantien in Aussicht gestellt – sind ungewiss.
Problematisch ist außerdem, dass Kunden mit alten Verträgen die höheren Überschüsse für Kunden der „Neuen Klassik“ mitfinanzieren. Während Versicherte mit alten Verträgen häufig über den Garantiezins hinaus kaum oder gar keine Überschüsse bekommen, gibt es für Kunden der „Neuen Klassik“ mehr davon.
Noch im Jahr 2004 hatte die staatliche Versicherungsaufsicht Bafin Unternehmen zurückgepfiffen, die Kunden mit höherem Garantiezins weniger vom Überschuss zuweisen wollten. Kunden mit niedrigerem Garantiezins sollten dafür mehr vom Überschuss haben. Dies sei ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, so die Bafin damals.
Genau das passiert aber jetzt: Kunden mit alten und neuen Verträgen werden unterschiedlich behandelt. Doch die Bafin hat sich bisher noch nicht festgelegt, ob dies rechtens ist – obwohl die neuen Produkte schon seit 2013 verkauft werden.
Milliarden für die Garantien
Damit sie die höheren Garantiezusagen der Vergangenheit einlösen können, müssen die Versicherer seit 2011 mit einer Zinszusatzreserve Geld beiseitelegen. Diese Reserve betrug Ende 2016 insgesamt 44,1 Milliarden Euro. Im Jahr 2017 waren es schon rund 60 Milliarden Euro. Und es werden Jahr für Jahr weitere Milliarden hinzukommen.
Um die zugesagten Garantien zu erfüllen, mussten die Unternehmen aus anderen Quellen Geld zuschießen. Dies können Reserven sein oder Überschüsse aus Risikoergebnis und übrigem Ergebnis. Risikoüberschüsse entstehen bei einer privaten Rentenversicherung, wenn die Kunden früher sterben als vom Versicherer kalkuliert, also die Rentenzahlung eher endet. Ein positives übriges Ergebnis kommt zustande, wenn Kunden ihren Vertrag vorzeitig stornieren, was für sie mit Verlusten verbunden ist. Außerdem entstehen Überschüsse durch ein effektives Kostenmanagement des Versicherungsunternehmens. Dann sind die Verwaltungskosten niedriger als kalkuliert.
Vom Risikoüberschuss stehen den Kunden 90 Prozent zu, von dem übrigen Ergebnis (inklusive Kostenüberschuss) gehören ihnen 50 Prozent. Muss ein Versicherer jedoch aus diesen beiden Quellen zuschießen, um seine Garantieverpflichtung für die Kunden zu erfüllen, schmälert das deren Überschussbeteiligung.
Alte Verträge nicht kündigen
Wichtigster Tipp der Verbraucherschützer: Länger laufende private Renten- oder Lebensversicherungen, sollte man keinesfalls kündigen. Fest kalkulieren kann man aber nur mit der garantierten Leistung. Ob der bei Vertragsbeginn garantierte Zins auch für Zuzahlungen gilt, steht in den Vertragsbedingungen. Zuzahlungen, für die nur der derzeit geltende Garantiezins für Neuverträge von 0,9 Prozent gilt, rentieren sich kaum. Anders bei Riester-Rentenversicherungen. Hier kann sich die magere Verzinsung wegen der staatlichen Förderung trotzdem lohnen.