Kurzer Weg zum Hausfriedensbruch

von Redaktion

Es gibt gute Gründe, das Grundstück seiner Nachbarn betreten zu müssen. Zum Beispiel wenn das eigene Haus nur auf diesem Weg zu erreichen ist. Was nicht erlaubt ist und was Nachbarn dulden müssen: Hier ein Überblick.

VON MAIK HEITMANN

Wird das Betreten des Nachbargrundstückes erforderlich – etwa wenn eine Grenzwand nur so erneuert oder das eigene Grundstück nur so erreicht werden kann –, so darf das grundsätzlich nur mit Zustimmung des Nachbarn geschehen.

Ausnahmsweise darf Nachbars Grundstück ohne Erlaubnis betreten werden, wenn „eine konkrete Gefahr“ droht oder wenn ein Betretungsrecht besteht. Generell aber gilt: Wer das Grundstück gegen den Willen des Nachbarn betritt, der macht sich des Hausfriedensbruchs strafbar. Es gibt allerdings Möglichkeiten, auf die sich Eigentümer beziehen können, wenn sie auf Nachbars Grund müssen.

Gestattung

Der Grundstückseigentümer kann per formloser Vereinbarung oder per Vertrag das Betreten seines Grundstücks gestatten. Eine solche Gestattung kann aber, sofern nichts anderes vereinbart ist, ohne Angabe von Gründen jederzeit widerrufen werden. Und: Sie ist bei einem Verkauf des Grundstücks für den neuen Eigentümer nicht bindend.

Grunddienstbarkeit

Über eine Grunddienstbarkeit kann dauerhaft – auch gegenüber einem etwaigen neuen Eigentümer – das Recht zum Betreten des fremden Grundstücks begründet werden. Sie muss notariell abgesegnet sein und wird ins Grundbuch eingetragen.

Notwegerecht

Fehlt einem Grundstück die Verbindung zu einem öffentlichen Weg, so muss der Nachbar das Betreten seines Grundstückes „zur Herstellung der erforderlichen Verbindung“ dulden. Er hat im Gegenzug Anspruch auf eine Geldrente. Die Höhe einer solchen Rente wird von Fall zu Fall geklärt. So hat das Oberlandesgericht Hamm mal zum Beispiel eine Zahlung in Höhe von immerhin 50 Euro pro Monat abgesegnet (AZ: I-5 U 126/06).

Notstand

Zur „Abwendung einer konkreten Gefahr“ oder eines Schadens darf ein Nachbargrundstück grundsätzlich auch ohne vorherige Zustimmung des Nachbarn betreten werden. Das könnte dann der Fall sein, wenn ein über die Grenze gewachsener Ast vom Baum des Nachbarn nach einem Sturm abzubrechen droht und abgeschnitten werden muss – und der Nachbar zeitnah nicht erreichbar ist.

Verfolgungsrecht

Läuft ein Vierbeiner oder der Fußball der im eigenen Garten spielenden Kinder auf das Grundstück des Nachbarn, so muss der es gestatten, diese Sachen zurückholen zu dürfen. Doch auch dieses „Verfolgungsrecht“ basiert auf der Duldung durch den Nachbarn. Verweigert der sein Einverständnis zum Zurückholen, so bleibt auch in diesem Fall – wenn’s hart auf hart kommt – nichts anderes übrig, als den Nachbarn zu verklagen. Nur in Notfällen darf das Nachbargrundstück ohne Zustimmung des Nachbarn betreten werden. Ein solcher Notfall liegt zum Beispiel bei einem entlaufenen Haustier vor, wenn ein „Aufschub des Verfolgungsrechtes den wahrscheinlichen Verlust des Haustieres bedeutet“.

Arbeiten

Oftmals können notwendige Arbeiten am eigenen nur vom Nachbargrundstück aus durchgeführt werden. So kann zum Beispiel eine Grenzwand nur von dort aus renoviert oder der Überwuchs einer an der Grenze stehende Hecke zurückgeschnitten werden. In diesen Fällen hat ein Nachbar das Betreten seines Grundstückes nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu dulden.

Rechtsprechung

Hier ein paar Beispiel für Streitigkeiten unter Nachbarn – und wie sie von deutschen Gerichten beurteilt wurden.

. Nachbargrundstücke dürfen nicht für jede Form von Bauarbeiten von Nachbarn betreten und die dafür notwendigen Leitern und Gerüste aufgestellt werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Fall entschieden, in dem zwei Nachbarn über Renovierungsarbeiten am Giebeldach des Gebäudes einer Frau stritten. Die wollte ein Gerüst aufstellen und das Grundstück des Nachbarn betreten, was dieser jedoch versagte. Der BGH stellte klar, dass zum einen die Arbeiten nach Umfang, Art, Dauer und Beginn genau angekündigt werden müssten. Zudem seien nicht alle Arbeiten zu dulden, sondern nur Bau- und Instandsetzungsarbeiten – nicht solche, die nur die Verschönerung des Gebäudes betreffen. Allein das Anzeigen der Arbeiten beim Nachbarn führe nicht dazu, dass dieser die Nutzung seines Grundstücks dulden müsse. Vielmehr sei diese Anmeldung Voraussetzung, das „Hammerschlags- und Leiterrecht“ ausüben zu können. Verweigert der Nachbar seine Zustimmung, so kann allenfalls auf Duldung geklagt werden (BGH, V ZR 49/12).

. Muss ein Grundstückseigentümer die Seitenwand seines Hauses reparieren, die auf der Grenze zum Nachbargrundstück steht, so kann er vom Nachbarn verlangen, dass er dessen Grundstück betritt, um die Arbeiten ausführen zu können. Ist der dazu nicht bereit, so kann das Hammerschlagsrecht vor Gericht erstritten werden (AmG Ludwigsburg, 1 C 2138/09).

. Mitarbeiter eines städtischen Ordnungsamtes dürfen nicht jederzeit zu Routinekontrollen Privatgrundstücke betreten, um dort zum Beispiel Säcke unbekannten Inhalts zu inspizieren (worum hier ein Nachbar, der illegal gelagerten Müll vermutete, „gebeten“ hatte). Nur wenn eine konkrete Gefahrenlage zu erkennen wäre, dürfte der Grundsatz durchbrochen werden, dass ein privater Grundstückseigentümer das Betreten seines Anwesens gestatten muss. Das Verwaltungsgericht Berlin sah hier aber weder „das Wohl der Allgemeinheit“ noch die Umwelt gefährdet (AZ: 10 A 473/06).

. Wächst an der Garagenrückseite eines Grundstückbesitzers Efeu empor, das dem Nachbargrund entspringt, so darf der Eigentümer der Garage Nachbars Land betreten, um das Gewächs zu beschneiden, wenn es den Putz seiner Garage angreift. Greift der Efeubesitzer – nach Aufforderung – nicht selbst zur Heckenschere, muss er seinen Nachbarn gewähren lassen (LG München I, 30 S 6244/06).

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