LESER FRAGEN – EXPERTEN ANTWORTEN

Bekommt der Sohn einen Ausgleich?

von Redaktion

Christa M.: „Mein Mann (Österreicher mit Wohnsitz in Deutschland) ist 2018 verstorben. Er überschrieb zu Lebzeiten (bereits im Jahr 2006) einen Hausanteil in Österreich an seine Tochter (aus erster Ehe), behielt sich aber das Nießbrauchsrecht vor. Steht seinem Sohn (aus zweiter Ehe) aufgrund des Nießbrauchsrecht nun noch eine Ausgleichszahlung von seiner (Stief-)Schwester zu? Kann sein Sohn eine Ausgleichszahlung von seiner Schwester einfordern? Im Testament wurde hierzu leider nichts vermerkt.“

Aus Ihrer Frage geht nicht hervor, wer Erbe Ihres Mannes geworden ist beziehungsweise, ob auch der Sohn Erbe wurde. Ich gehe ferner davon aus, dass entsprechend der EU-Erb-Verordnung hier deutsches Recht zur Anwendung kommt. Möglicherweise kommt hier ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch des Sohnes in Betracht. Hintergrund ist folgender: Ein Erblasser soll den Pflichtteilsanspruch seiner nächsten Angehörigen nicht dadurch verkürzen können, dass er bereits zu Lebzeiten Schenkungen an andere Personen macht. Daher bestimmt das Gesetz, dass der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung seines Pflichtteils den Betrag verlangen kann, um den sich sein Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand (hier der Hausanteil) dem Nachlass (fiktiv) hinzugerechnet wird. Das gilt zwar grundsätzlich nur für Schenkungen, die der Erblasser bis zu zehn Jahre vor seinem Tod gemacht hat. Behält sich der Erblasser bei der Schenkung einer Immobilie allerdings einen Nießbrauch zurück, bleibt wirtschaftlich im Wesentlichen alles beim Alten. Nach der Rechtsprechung beginnt daher die Zehn-Jahresfrist nicht zu laufen, weil der Eigentümer den „Genuss am Grundstück“ noch nicht aufgegeben hat und damit auch keinen spürbaren Vermögensverlust erlitten hat, wie er für eine Schenkung typisch wäre. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist in erster Linie gegen den oder die Erben zu richten. Nur soweit diese nicht zur Ergänzung verpflichtet sind, kommt ein subsidiärer Anspruch gegen den Beschenkten in Betracht.

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