Voluntourismus: Im Urlaub Gutes tun

von Redaktion

Plastikmüll sammeln auf den Galapagos-Inseln oder im namibischen Reservat Zäune reparieren – immer mehr Menschen wollen ihre Urlaubszeit nicht nur zum Entspannen nutzen, sondern sich vor Ort nützlich machen. Doch das ist gar nicht so einfach.

VON HELGA RIEDEL

Nach dem Abitur hatte Tobias keine Ahnung, was er machen sollte. Erst der Hilfseinsatz bei einem Klimaprojekt der Richmond Vale Academy (RVA) auf den Grenadinen brachte Klarheit: „Nach meiner Rückkehr wusste ich, dass ich etwas Ökologisches machen wollte, und studiere nun Umwelttechnik und -management.“ Wie Tobias begeistern sich immer mehr vor allem junge Leute für die Idee, ein Land nicht nur zu bereisen, sondern durch freiwillige (englisch: volunteering) Arbeit intensive neue Erfahrungen im Kontakt mit den Menschen und der Natur zu machen. Nach Schätzung von TourCert gehen jedes Jahr 15 000 bis 25 000 Deutsche für einen kurzzeitigen Hilfseinsatz ins Ausland.

Projekte und Veranstalter

Ob soziale Aktivitäten, Umwelt- und Tierschutz, Bildung, Gesundheitswesen oder Landwirtschaft, ob eine Woche oder ein paar Monate – es gibt für alle Interessen und jeden Zeitplan das passende Projekt. Angeboten wird Voluntourismus entweder von Spezial-Veranstaltern wie Rainbow Garden Village oder von gemeinnützigen Organisationen wie RVA oder Biosphere Expeditions, die ihre Projekte auf ihren Internetseiten und/oder Plattformen wie Freiwilligenarbeit vorstellen.

Was man lieber meiden sollte

Als Volunteering-Reise unglaubwürdig sind Angebote, bei denen kurze Hilfseinsätze da und dort wie Streusel über den Urlaub verteilt sind. Damit kann keine sinnvolle Unterstützung geleistet werden – im Gegenteil. Ein solches Armuts-Sightseeing ist für die einheimische Bevölkerung erniedrigend und fördert Vorurteile auf beiden Seiten. Auch von Kurzzeiteinsätzen in Kinderheimen sollte man absehen. Denn eine Studie der südafrikanischen Professorin Linda Richter belegt, dass „Aufbau und Auflösung von Bindungen mit aufeinanderfolgenden Freiwilligen für kleine Kinder besonders schädlich“ sind.

Auf diese Kriterien kommt es an

So nutzt der Einsatz allen Seiten: Wer sich im Urlaub ehrenamtlich engagieren möchte, sollte deshalb die Veranstalter und Projekte genau unter die Lupe nehmen. Dabei kann man sich an den von TourismWatch und dem Schweizer Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung erarbeiteten Grundsätzen für einen für alle Seiten gewinnbringenden Hilfseinsatz orientieren. Die wichtigsten sind:

. Intensive Vorbereitung und Betreuung der Freiwilligen

. Enger Kontakt mit den aufnehmenden Organisationen . Nachbereitung und Nutzung der Erfahrungen der Freiwilligen

. Gegenseitiges Lernen und interkultureller Austausch als Ziel von Voluntourismus . Keine Kurzzeiteinsätze in Kinderheimen

. Ein Hilfseinsatz ist zudem umso effektiver, je länger er dauert – Minimum sollten zwei Wochen plus Einarbeitungszeit sein – und umso besser man sich in der Sprache des jeweiligen Landes verständigen kann.

. Keine Verdrängung einheimischer Arbeitskräfte

. Transparenz der Finanzen/Verteilung des Reisepreises

Urlaub lieber extra buchen

Am besten ist es, das Volunteering von der Urlaubsreise abzukoppeln und über ausgewiesene Spezialisten zu organisieren wie das Freiwilligenprogramm „weltwärts“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die Urlaubsreise im Land lässt sich dann separat möglichst bei einem um Nachhaltigkeit und Fairness bemühten Reiseveranstalter buchen oder selbst organisieren. Da die meisten Hilfseinsätze außerhalb Europas stattfinden, heißt es auch, sich rechtzeitig um Visum, Impfschutz und Auslandskranken- und Reiserücktrittversicherung zu kümmern.

Hilfsprojekte haben ihren Preis

Die Teilnahme an einem Hilfsprojekt gibt es nicht umsonst. Neben den Kosten für Unterbringung und Verpflegung muss man auch für die Bereitstellung von Informationen, Vermittlung, Organisation, Transfers und andere Unkosten an die sehr oft kommerziellen Anbieter bezahlen. Für den Flug muss man ohnehin immer selbst aufkommen.

Die Frage der Nachhaltigkeit

In Zeiten des Klimawandels sollte sich jeder fragen, wie sinnvoll ein Langstreckenflug ist, um vor Ort zwei Wochen Bäume zu pflanzen oder Plastikmüll einzusammeln. Hier sollten Aufwand und Nutzen in einem vertretbaren Verhältnis stehen.

Mehr Informationen

.  Ausland.org . Deepertravel.de

. Fairunterwegs.org

. Initiative-auslandszeit.de

. Tourism-watch.de

. Wegweiser-freiwilligenarbeit.com

Das sechsseitige Dossier zum Thema gibt es unter der Fax-Abrufnummer 09001/25 26 65 54 bis 6. März. Oder senden Sie einen mit 0,95 Euro frankierten Rückumschlag plus 1,55 Euro in Briefmarken, Stichwort „Voluntourismus“, an: Biallo & Team GmbH, Bahnhofstr. 25, 86938 Schondorf.

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