Nach monatelangem Streit bringt die Bundesregierung die Grundrente auf den Weg. In Kraft treten soll das entsprechende Gesetz 2021. Offen waren bis zuletzt Fragen zur Einkommensprüfung. Die Regierungsparteien einigten sich nun darauf, wie mit Einkommen über der Freibetragsgrenze umgegangen werden soll. Außerdem sollen mögliche Kapitalerträge vollständig berücksichtigt werden. Damit bekämen „diejenigen eine Grundrente, die sie wirklich brauchen“, teilten Arbeits- und Gesundheitsministerium kürzlich mit. Statt 1,5 Millionen könnten nun etwa 1,3 Millionen Menschen profitieren. Bei Männern sind es rund drei Prozent der Versichertenrenten und bei den Frauen rund sieben Prozent, heißt es im neuen Gesetzentwurf.
Die Voraussetzungen
Der Begriff „Grundrente“ ist etwas irreführend. Die Anspruchsberechtigten sollen einen Zuschlag zu ihrer Rente erhalten, der unterschiedlich hoch ausfällt. Rentenansprüche werden also aufgestockt. So soll eine monatliche Bruttorente (vor Abzug der Sozialversicherungsbeiträge) gesichert werden, die zwischen etwa 670 und 950 Euro liegt.
Nach dem Gesetzentwurf soll unter folgenden Voraussetzungen ein Anspruch auf den Zuschlag bestehen:
. Mindestens 33 Versicherungsjahre („Grundrentenzeiten“) müssen auf dem Rentenkonto stehen.
. Die im Schnitt erworbenen Rentenansprüche dürfen nicht zu niedrig sein: Wer im Schnitt weniger als 30 Prozent des durchschnittlichen Einkommens aller Versicherten erzielt hat, bekommt keine Rentenaufstockung.
. Die erworbenen Rentenansprüche dürfen auch nicht zu hoch sein. Wer im Schnitt mehr als 80 Prozent des Durchschnittseinkommens erzielt hat und auf dieser Basis Beiträge gezahlt hat, bekommt keine Aufstockung seiner Rente.
. Das Einkommen in der Zeit des Rentenbezugs darf nicht zu hoch sein.
Die Details
Als Grundrentenzeiten zählen zunächst Jahre mit versicherter Beschäftigung. Der volle Zuschlag kann nach dem Gesetzentwurf gewährt werden, wenn 35 Jahre mit Grundrentenzeiten gespeichert sind. Bei 33 bis gut 34 Jahren soll ein etwas gekürzter Anspruch auf die Leistung bestehen.
Zu den Grundrentenzeiten sollen nach dem Entwurf auch Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und Pflege bis zu zehn Jahren oder wegen des Bezugs von Leistungen bei Krankheit und Rehabilitation (Kranken- und Übergangsgeld) sowie Zeiten der auf Antrag pflichtversicherten Selbstständigen zählen.
Mütter mit Anspruch
Die ersten zehn Lebensjahre eines Kindes zählen als „Kinderberücksichtigungszeit“. Bei mehreren Kindern zählt meist die Zeit bis zum zehnten Geburtstag des jüngsten Kindes.
Ein Beispiel: Für eine Mutter, die im Januar 1973, 1978 und im Dezember 1984 jeweils ein Kind zur Welt gebracht hat, zählt die Zeit von Januar 1973 bis Dezember 1994 – das sind 22 Jahre – als Kinderberücksichtigungszeit und damit als Grundrentenzeit. Die Mutter benötigt damit nur noch weitere 13 Jahre an Pflichtbeitragszeiten für einen Grundrentenanspruch.
Die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung muss man extra beantragen, sonst gibt es kein Geld. Sie können aber auch noch kurz vor dem Rentenantrag nachgetragen werden.
Einkommensprüfung
Anwärter müssen eine „abgespeckte“ Bedürftigkeitsprüfung bestehen. Es interessieren – anders als bei der Sozialhilfe beziehungsweise Grundsicherung – nicht das Vermögen und nicht der Immobilienbesitz der Betroffenen.
Nach dem Gesetzentwurf soll die volle Grundrente Alleinstehenden mit einem Einkommen bis zu 1250 Euro und Paaren mit bis zu 1950 Euro gewährt werden. Zum zu versteuernden Einkommen wird der steuerfrei gestellte Anteil der Rente addiert und alle Kapitalerträge. Beispiel: Ein alleinstehender Rentner hat 2019 ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 11 000 Euro gehabt. Dabei wurde ein Rentenfreibetrag in Höhe von 4000 Euro steuerlich berücksichtigt. Diese 4000 Euro werden jetzt wieder zugerechnet. Macht 15 000 Euro im Jahr oder 1250 Euro monatlich.
Bis 1600 Euro (alleinstehend) beziehungsweise 2300 Euro (verheiratet) wird das Einkommen zu 60 Prozent auf die Grundrente angerechnet. Liegt das Einkommen auch darüber, wird es komplett auf den Grundrentenzuschlag angerechnet.
Rentner, die meinen, dass die Grundrente für sie infrage kommt, sollten für 2019 eine Steuererklärung abgeben – auch wenn sie dazu gar nicht verpflichtet sind. Denn 2021 wird bei der Prüfung des Grundrentenanspruchs voraussichtlich der Steuerbescheid von 2019 zugrunde gelegt werden.
Berechnung
Die Berechnung ist für Laien kaum nachvollziehbar und dürfte auch professionelle Rentenberechner ins Stolpern bringen: Die bei Rentenbeginn erreichten Rentenansprüche werden für die Grundrente aufgestockt. Dazu zählen aber nicht alle Entgeltpunkte aus den „Grundrentenzeiten“, sondern nur aus „Grundrentenbewertungszeiten“. Das sind die Monate, in denen man mindestens 30 Prozent des Durchschnittseinkommens aller Versicherten erzielt hat (2020 sind das 1014 Euro brutto). Ist das Einkommen niedriger, bringt der Job zwar normale Rentenansprüche, aber kein Rentenplus. Entgeltpunkte aus „Grundrentenbewertungszeiten“ werden addiert. Falls dabei im Schnitt pro Jahr weniger als 0,8 Rentenpunkte herauskommen, gibt es maximal eine Gesamtrente von etwa 950 Euro brutto.
Ein Beispiel: Ein Versicherter hat in 35 Grundrentenjahren insgesamt zwölf Entgeltpunkte (EP) in Grundrentenbewertungszeiten „erwirtschaftet“. Wenn er alle anderen Voraussetzungen erfüllt, hat er Anspruch auf die Grundrente. Zu seinen zwölf Entgeltpunkten kommen weitere zwölf hinzu. Hiervon gibt es jedoch einen Abschlag von 1,5 EP. Damit kommt er insgesamt auf 22,5 EP. Das entspricht nach vorläufigen Berechnungen 767,03 Euro Bruttorente. Hiervon gehen noch circa elf Prozent an Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ab. Die Nettorente könnte damit nach der Aufstockung circa 683 Euro betragen.
Ein zweites Beispiel: Ein Versicherter hat in 35 Grundrentenjahren insgesamt 24 Entgeltpunkte „erwirtschaftet“, das entspricht pro Jahr einem Schnitt von 0,686 EP. Soweit er die sonstigen Voraussetzungen erfüllt, hat er damit Anspruch auf die Grundrente. Zu seinen 24 Entgeltpunkten kommen nicht weitere 24 EP hinzu. Man kommt nach einem komplizierten Berechnungsverfahren auf 27,5 EP. Das entspricht bei einem aktuellen Rentenwert von 34,09 Euro einem Bruttobetrag von 937,48 Euro. Nach Abzug der Beiträge bleiben 834 Euro.
Frührenten-Abschläge
Auch Bezieher von Erwerbsminderungsrenten haben grundsätzlich Anspruch auf Grundrente, sofern alle oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei gelten für die Grundrente die gleichen Abschläge: „Das heißt, dass zum Beispiel bei einer zum 1. Januar 2021 beginnenden Erwerbsminderungsrente mit einem Abschlag von 10,8 Prozent auch die Grundrente um 10,8 Prozent gemindert wird.“
Grundsicherung
Reicht es nicht für die Grundrente oder reicht auch diese nicht zum Leben, gibt es noch die Grundsicherung. Wenn Alleinstehende monatlich 400 Euro Warmmiete zahlen müssen, liegt ihr persönlicher Grundsicherungsbedarf 2020 bei 832 Euro. Beträgt die Warmmiete eines Rentner-Ehepaars 500 Euro, so liegt sein Grundsicherungsbedarf bei 1278 Euro. Nicht immer wird die geplante Grundrente dafür sorgen, dass das Gesamteinkommen der Betroffenen oberhalb des Grundsicherungsniveaus liegen wird. In Orten mit hohem Mietniveau werden auch Grundrenten-Bezieher zusätzlich noch Grundsicherung beantragen. Ein Grundsicherungs-Freibetrag ab 2021 soll dafür sorgen, dass bei vielen Betroffenen das Einkommen unter dem Strich wenigstens über Hartz- IV-Niveau liegt.