Was Siegel auf dem Fleisch verraten

von Redaktion

Vor über einem Jahr haben die großen Handelsketten ein eigenes Fleisch-Logo eingeführt. Was hinter der Kennzeichnung steck, ist vielen Supermarkt-Kunden aber nach wie vor unklar.

VON SEBASTIAN HÖLZLE

Um die Einführung eines einheitlichen staatlichen Tierwohl-Kennzeichens gibt es seit Jahren politischen Streit. Dennoch finden sich auf Fleischverpackungen diverse Siegel. Im April vergangenen Jahres haben die Handelsriesen – darunter Edeka, Rewe, Aldi und Lidl – eine Kennzeichnung eingeführt, die Verbrauchern Aufschluss darüber geben soll, wie die Tiere vor der Schlachtung gehalten wurden. Wir erklären, was dahinter steckt.

Stufe 1: Gesetzliches Minimum

Hat Fleisch im Supermarkt die Haltungsform 1 (Stallhaltung), können Verbraucher davon ausgehen, dass die Tiere bei der Aufzucht wenig Platz hatten und die Tiere keine Möglichkeit hatten, den Stall zu verlassen. Bei Schweinen gilt beispielsweise eine Mindestfläche im Stall von 0,75 Quadratmetern pro Tier. Bei Rindern sind in dieser Haltungsform zwischen 1,5 und 2,2 Quadratmeter pro Tier vorgesehen (siehe Tabelle). „Stufe 1 steht bei Fleisch von Schweinen und Hühnern für den gesetzlichen Standard der Tierhaltung“, erklärt die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Bei Rindern und Puten gebe es keine detaillierten gesetzlichen Haltungsvorgaben, daher kennzeichne Stufe 1 hier die „branchenübliche Haltung.“

Stufe 2: Etwas mehr Platz

In der nächsten Stufe (Stallhaltung Plus) haben die Tiere geringfügig mehr Freiraum. „Bei Stufe 2 haben Masthühner, Puten und Schweine zehn Prozent mehr Platz und zusätzliches Beschäftigungs-material gemäß den Anforderungen der Initiative Tier-wohl“, erklären die Experten der Verbraucherzentrale. Auch müsse das Fleisch aus Betrieben stammen, die an der Initiative teilnehmen. Rindfleisch, das mit Stufe 2 gekennzeichnet sei, stamme aus Ställen mit etwas mehr Platz, Kühe dürften nicht angebunden sein.

Stufe 3: Frische Luft, Futter ohne Gentechnik

Die höhere Stufe 3 (Außenklima) soll Supermarkt-Kunden signalisieren, dass die Tiere noch mehr Platz im Stall hatten – bei Schweinen beispielsweise 40 Prozent mehr verglichen mit Stufe 1. Zudem kommen die Tiere an die frische Luft. „Dies kann mit einer luftdurchlässigen Stallseite, einem Offenfrontstall oder mit einem überdachten Außenbereich realisiert werden“, so die Verbraucherschützer. Außerdem erfolge die Fütterung mit gentechnikfreiem Futter.

Stufe 4: Viel Platz, regionales Futter

Die Stufe 4 verspricht Tieren den meisten Platz. Bei Schweinen ist es etwa doppelt so viel verglichen mit Stufe 1, zudem ist Auslauf im Freien vorgeschrieben. Das Futter ist laut Verbraucherzentrale ebenfalls gentechnikfrei und muss bei Schweinen, Hähnchen und Puten mindestens zu 20 Prozent aus dem eigenen Betrieb oder aus der Region stammen, bei Rindern mindestens zu 60 Prozent. Auch Bio-Fleisch fällt automatisch unter Stufe 4, da in Bio-Betrieben strengere Tierhaltungskriterien gelten.

Das sagen Verbraucherschützer

Trotz der Siegel bleiben Verbraucherschützer skeptisch: Zwar sei die Kennzeichnung ein guter Ansatz zur Orientierung, heißt es etwa bei der Verbraucherzentrale. „Mehr Platz, Einstreu im Stall und Auslauf sind kein automatischer Garant für mehr Tierwohl.“ Für Aussagen zum Tierwohl müssten verhaltens- und gesundheitsbezogene Parameter in der Tierhaltung und am Schlachthof ausgewertet werden – was bei den Haltungsform-Kriterien nicht der Fall sei.

Initiative Tierwohl: Etwas mehr Platz

Neben diesen vier Siegeln gibt es zusätzlich noch das Siegel der Initiative Tierwohl. Dahinter stehen Betriebe und Verbände aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Einzelhandel. Betriebe, die teilnehmen, müssen unter anderem die Stallluft kontrollieren lassen, den Tieren ein Mindestmaß an Tageslicht ermöglichen und zustimmen, dass Beanstandungen an den geschlachteten Tieren erfasst werden. Vorgesehen ist auch ein Antibiotika-Monitoring.

Die Verbraucherzentralen sprechen in diesem Zusammenhang von einer „leicht verbesserten“ Tierhaltung gegenüber dem gesetzlichen Minimum. „23 Masthühner statt 26 auf einem Quadratmeter, Schweine mit zehn Prozent mehr an eingeräumtem Platz, ein Strohballen pro Stalleinheit bei bis zu 2700 Hähnchen und ein Hanfseil für 20 Schweine sind Schritte in die richtige Richtung.“

Bio-Siegel: Verbände toppen EU-Standard

Bleiben die Bio-Siegel. Auch hier gelten für die Tierhaltung strenge Vorgaben. Das Bio-Siegel der Europäischen Union (EU) sieht beispielsweise bei Mastschweinen – je nach Gewicht – sowohl im Stall als auch außerhalb insgesamt eine Fläche zwischen 1,4 und 2,3 Quadratmetern pro Tier vor. Zudem gelten bei Bio-Fleisch gesonderte Fütterungsvorschriften. Ein Antibiotikaeinsatz ist nur in Ausnahmen vorgesehen.

Die EU-Verordnung für den ökologischen Landbau enthalte strengere Tierhaltungsstandards als der übliche gesetzliche Rahmen, lobt die Verbraucherzentrale. „Die deutschen Bioverbände wie zum Beispiel Bioland, Naturland, Demeter, Biokreis oder Biopark haben sich zum Teil darüber hinaus gehende Kriterien gegeben.“ So verzichten laut Stiftung Warentest etwa Betriebe von Bioland, Demeter oder Neuland auf das Kastrieren von Ferkel ohne Betäubung.

Fleisch vom lokalen Metzger

Wer angesichts der Siegelflut sein Fleisch lieber an der Theke im Supermarkt kaufen möchte, hat es nicht unbedingt einfacher: „Woher das Fleisch genau kommt, können Verbraucher an der Theke nicht erkennen, auch die Mitarbeiter wissen selten Bescheid“, sagt Susanne Moritz von der Verbraucherzentrale Bayern. Einfacher könne es sein, beim lokalen Metzger nachzufragen.

Weitere Informationen

hat die Umweltorganisation Greenpeace in einem PDF-Dokument zusammengestellt, online zu finden unter: www.bit.ly/fleisch-siegel

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