Nahrungsergänzung? Oft eine Mär

von Redaktion

Nahrungsergänzungsmittel sind ein Riesen-Geschäft. Jetzt kurbelt es Corona zusätzlich an. Aber schützen die Pillen wirklich vor einer Ansteckung mit dem Virus? „Dafür gibt es bislang keinen wissenschaftlichen Beleg“, warnt Hans Hauner von der Technischen Universität München (TUM).

Manche Menschen geben jeden Monat mehr als 100 Euro für Nahrungsergänzungsmittel aus. Lohnt sich diese Investition?

Bei einer halbwegs vernünftigen Ernährung braucht man keine Nahrungsergänzungsmittel. Sie können nur dann sinnvoll sein, wenn man an einem Mangel leidet, der zuvor von einem Arzt zweifelsfrei diagnostiziert worden ist. Mit anderen Worten: Diese Investition lohnt sich für die meisten nicht.

Warum schlucken viele trotzdem Vitaminpillen, Fischölkapseln und ähnliche Produkte?

Nahrungsergänzungsmittel werden häufig sehr professionell vermarktet. Dabei verschweigen die Vertriebsfirmen allerdings gerne, dass sie keinen seriösen wissenschaftlichen Nachweis für die Wirksamkeit ihrer Produkte erbringen können. Für viele Menschen sind solche Produkte auch ein bequemes Alibi, um sich nicht weiter Gedanken um eine gesunde Ernährung machen zu müssen oder um ein vielleicht „schlechtes Gewissen“ zu beruhigen. Nahrungsergänzungsmittel können aber eine unausgewogene Ernährung nicht ersetzen.

Aber die Firmen werben doch oft mit angeblichen wissenschaftlichen Erkenntnissen …

Das versuchen die Firmen tatsächlich häufig, leider meist mit unseriösen Argumenten. Da werden dann Ergebnisse aus Zellkulturen oder an Mäusen hemmungslos auf den Menschen übertragen, was in der Regel nicht möglich und zulässig ist. In diesem Geschäft wird leider viel Schindluder getrieben – und viele Menschen fallen darauf herein. Ein Problem ist auch, dass die Werbung der Vertriebsfirmen nicht effektiv von den Behörden überwacht und sanktioniert wird. Dabei wäre dies sehr wichtig. Die oft unseriösen Marketingversprechen sind für die Firmen, die Nahrungsergänzungsmittel herstellen, oftmals der Schlüssel zum Erfolg.

Abgesehen vom Streit über die Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln – rechtfertigt der Aufwand bei der Herstellung den mitunter stolzen Preis der Produkte?

Die Grundstoffe für Nahrungsergänzungsmittel werden meist in China für kleinstes Geld hergestellt. Man braucht dafür weder ein besonderes wissenschaftliches Know-how noch eine aufwändige Technologie. Dadurch entstehen gewaltige Gewinnspannen.

Aber Geldverdienen ist ja nicht verboten…

Ich habe nichts dagegen, wenn Firmen gute Geschäfte machen. Aber bei Nahrungsergänzungsmitteln werden gesetzliche Graubereiche gnadenlos ausgenutzt. Manche Firmen bezahlen sogar sogenannte Wissenschaftler, um Jubelorgien auf ihre Produkte zu lancieren. Es ist eine obskure Branche.

Müssen denn Nahrungsergänzungsmittel nicht von Aufsichtsbehörden zugelassen werden?

Das läuft ganz anders als beispielsweise bei Medikamenten, die später von den Krankenkassen bezahlt werden sollen. Diese müssen ein strenges Zulassungsverfahren nach dem Arzneimittelgesetz durchlaufen, dabei werden die Medikamente in streng kontrollierten klinischen Studien getestet. Dagegen müssen die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln ihre Produkte lediglich beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin anmelden. Diese Behörde prüft aber nicht, ob die Inhaltsstoffe tatsächlich wirken oder sogar schädlich sein können. Eine solche Prüfung ist für Nahrungsergänzungsmittel derzeit nicht vorgeschrieben. Das hat der Gesetzgeber leider bisher versäumt – oder auch nicht umsetzen wollen. Die Herstellerverbände leisten eine aufwändige Lobbyarbeit.

Was müsste geschehen, um die Verbraucher besser vor wirkungslosen oder gar schädlichen Nahrungsergänzungsmitteln zu schützen?

Sinnvoll wäre vor allem ein einfaches Zulassungsverfahren, einschließlich Mengenbeschränkung für die Inhaltsstoffe. So ließe sich das Risiko einer Überdosierung verringern, die gesundheitsschädlich sein kann. Beispielsweise bei Vitamin E; Hier kann eine Überdosierung sogar eine Herzschwäche verursachen!

Interview : Andreas Beez

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