Der Mai und die Zeit bis Ende Oktober gelten historisch betrachtet als schwächste Phase am Aktienmarkt. Die abgelaufene Woche hat dies bestätigt. Der Deutsche Aktienindex Dax hat zeitweise mehr als 700 Zähler auf 10 180 Punkte verloren, bevor es am Freitag wieder auf rund 10 500 nach oben ging.
„Enttäuschende Gewinnzahlen und nebulöse Ausblicke im Rahmen der Berichtssaison sind fundamentale Handicaps für die Börsen“, sagt Robert Halver von der Baader Bank. Auch Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, der den Handelsstreit mit China wieder einmal anheizt und die Auswirkungen der Pandemie in den USA herunterspielt, sorgen ebenfalls für Verunsicherung. „Kursrücksetzer sind damit einzukalkulieren. Dramatische Einbrüche sind dagegen nicht zu erwarten“. Es sei denn, so Halver, die Lockerungen würden gestoppt oder gar umgekehrt.
Die ersten Schätzungen der Statistiker für die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal bestätigen die fragile Lage. Wobei das Minus mit 2,2 Prozent noch überschaubar ist. Im zweiten Vierteljahr aber schlägt Corona voll durch. Dann wird das Sozialprodukt dramatisch um bis zu 15 Prozent schrumpfen, sagen manche Ökonomen. „Die schnelle Rückkehr zum Status vor der Pandemie ist bis auf Weiteres nicht in Sicht“, heißt es bei der Landesbank Hessen-Thüringen.
Waren Händler und Anleger an der Börse zu forsch? „Aktien hatten zuletzt viel Positives vorweggenommen“, stellen die Börsenbeobachter aus Frankfurt fest. Und warnen, dass der Dax bis Ende Juni auf 9500 Zähler abrutschen könnte bevor es bis Jahresende wieder auf 11 500 nach oben geht.
Im Gegensatz zum vergangenen Jahr dürften eine Erholung und damit Impulse für die Unternehmen und deren Gewinne diesmal kaum von privaten Verbrauchern ausgehen. Die Corona-Krise lässt auch sie das Geld eher zusammenhalten, zumal derzeit rund zehn Millionen Menschen in Kurzarbeit sind und mit einem geringeren Einkommen zufrieden sein müssen. Und auch Firmen werden sich mit Investitionen zurückhalten. „Verängstigte Konsumenten und vorsichtige Unternehmen können die wirtschaftliche Erholung sehr zäh gestalten“, warnt Ulrich Kater, Chef-Volkswirt der DekaBank. Optimistischer könnten Börsianer werden, sollte es zu groß anlegten Konjunkturprogrammen kommen.
„Die Lage bleibt angespannt“, glaubt auch Christian Kahler von der DZ Bank. Eine neue Konsolidierung sei nach der Rally der vergangenen Wochen denkbar. Auch die Börse hänge am Verlauf der Pandemie. „Möglicherweise befinden wir uns im Auge des Taifuns und die Situation an den Märkten wird sich wieder verschärfen.“ Nicht nur Kahler erwartet in nächster Zeit deutlich stärkere Kursschwankungen, so wie in der abgelaufenen Woche. Der Ausblick bleibe unklar, die weitere Entwicklung sei nicht seriös abzuschätzen. Generell aber ist Kahler aber positiv gestimmt und erwartet den Dax in gut einem Jahr wieder bei 12 100 Punkten. Nach wie bleiben Sparanlagen wegen der extrem niedrigen Zinsen wenig attraktiv. Bei zehnjährigen Bundesanleihen ist die Rendite mit gut minus 0,5 Prozent weiter negativ. ROLF OBERTREIS