Deutscher Aktienmarkt nicht zu bremsen

von Redaktion

Der Dax steigt und steigt – trotz Corona. Gestern sprang er über 12 400 Zähler. Der Aktienindex steht mittlerweile so hoch wie zuletzt Anfang März. Seit dem Tief am 19. März von 8255 Zählern hat er um 50 Prozent zugelegt. Der Abstand im Vergleich zum Rekordstand von 13 795 Punkten Mitte Februar liegt noch bei rund zehn Prozent.

Was sind die Gründe für die erstaunliche Kursentwicklung?

An der Börse wird prinzipiell die Zukunft gehandelt. Wie wird sich die Wirtschaft entwickeln, wie werden die Geschäfte der Unternehmen laufen? Die Vergangenheit interessiert Börsianer, Fondsmanager und Anleger wenig. An die abgeschlossenen Bilanzen wird ein Haken gemacht.

An welchen Fakten orientiert sich die Börse aktuell?

Es sind vor allem die beispiellosen Hilfsprogramme der Regierungen und der Notenbanken zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Und die Erwartung, dass noch mehr Geld bereitgestellt wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) etwa stellt in diesem Jahr über ihre Anleihe-Kaufprogramme mehr als eine Billion Euro bereit. Und sie wird an diesem Donnerstag vermutlich eine halbe Billion oben draufpacken. Die Bundesregierung hat ihren Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit 100 Milliarden Euro ausgestattet, insgesamt belaufen sich die Rettungspakete auf einen Betrag von rund einer Billion Euro. Über ein Konjunkturpaket wird gerade debattiert. Dazu kommen der Wiederaufbauplan der EU über 750 Milliarden Euro und die allmählichen Lockerungen.

Aber warum fließt das Anlagekapital ausgerechnet in Aktien?

Die Alternativen sind derzeit überschaubar. Auf Sparanlagen gibt es praktisch keinen Zins. Für Tagesgeld wird derzeit nach Angaben der FMH-Finanzberatung ein Durchschnittszins von 0,03 Prozent gezahlt. Wer 10 000 Euro anlegt, bekommt für ein Jahr gerade mal drei Euro. Viele Banken zahlen überhaupt nichts, in wenigen Fällen kann es ein halbes Prozent sein. Die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe ist mit rund minus 0,40 Prozent weiter negativ. Der Kunde verliert Geld.

Was ist mit Gold und Immobilien?

Gold gilt traditionell als Krisen-Währung. Der Goldpreis ist in diesem Jahr allerdings bereits deutlich gestiegen. Aktuell kostet die Feinunze rund 1720 Dollar, das sind fast 400 Dollar mehr als vor einem Jahr. In Euro sind es rund 1530 nach knapp 1200 im Juni 2019. Gold bringt keine Zinsen oder Dividenden. Händler konnten der Nachfrage nach Münzen und kleineren Barren in den vergangenen Monaten mitunter nicht nachkommen. Sie werden teilweise stark überteuert angeboten. Ob Immobilien eine weiter lohnende Kapitalanlage sind, ist fraglich. Die Preise sind schon hoch. Dafür sprechen die niedrigen Zinsen und damit die günstige Finanzierung.

Welche deutschen Aktien haben sich bislang in diesem Jahr am besten geschlagen?

Unter den 30 größten im Dax gelisteten Aktien steht das Papier des Gesundheitskonzerns Fresenius mit einem Plus von 17 Prozent am besten da, vor der Deutschen Bank mit rund 15 Prozent. Spitzenreiter unter den 100 wichtigsten Aktien ist aber der Kochboxen-Lieferant HelloFresh, dessen Kurs sich fast verdoppelt hat. Dahinter rangieren der Laborausrüster Sartorius mit plus 70 Prozent und die Softwarefirma Teamviewer mit 50 Prozent.

Wer sind die großen Verlierer?

Am härtesten erwischt hat es die Lufthansa mit einem Abschlag von mehr als 40 Prozent. Dahinter liegt der Triebwerkshersteller MTU mit minus 37 Prozent vor Daimler und HeidelbergCement mit je minus 27 Prozent.

Wo liegen die Risiken?

Die Begleitumstände von Covid-19 belasteten die Unternehmen und deren Ertragsaussichten massiv, sagt Emmerich Müller, Chef beim Bankhaus Metzler. Die Entwicklung hänge auch an der Börse von einem Impfstoff und von Medikamenten gegen Covid-19 ab. Schlecht wäre eine zweite Welle von Infektionen. Anleger müssten weiter mit starken Ausschlägen an der Börse rechnen. Marktanalyst Jochen Stanzl vom Finanzhaus CMC warnt: Die Börse habe sich von der Realität abgekoppelt. Investoren täten so, als handele es sich durch Corona nur um eine kleine Wachstumsdelle, die schnell ausgebügelt werde. „Das ist und bleibt eine steile These“. ROLF OBERTREIS

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