Besteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch?

von Redaktion

Heidi K.: „Meine Eltern haben vor 45 Jahren ein Haus mit Grundstück erworben. Als Eigentümer wurde allein der Vater festgelegt und ins Grundbuch eingetragen. Wir sind fünf Geschwister. Die Immobilie ist vor knapp drei Jahren durch Schenkung meines Vaters an ein Kind übergegangen. Die Mutter hat eine Zustimmung zur Schenkung unterschrieben. Mein Vater ist vor eineinhalb Jahren verstorben. Ein kleiner Nachlass in Form von Barvermögen wurde unter den Geschwistern und der Mutter aufgeteilt (die Hälfte an die Mutter, die andere Hälfte zu gleichen Teilen an die fünf Kinder). Die Immobilie wurde nun durch die/den Beschenkte/n verkauft. Der Erlös aus dem Verkauf wurde nicht bekannt gegeben. Meines Wissens besteht bei einer Schenkung für jedes der Kinder sowie für den Ehegatten ein Pflichtteilsergänzungsanspruch. Stimmt das? Besteht in dem Fall auch für die Mutter ein Pflichtteilsergänzungsanspruch oder ging dieser durch die Zustimmung zur Schenkung verloren? Und welcher Wert der Immobilie wird für die Berechnung des Pflichtteilergänzungsanspruchs herangezogen? Der Bodenrichtwert, ein geschätzter Wert oder der tatsächliche Verkaufspreis? Im Wesentlichen stellt das Grundstück einen Wert dar, das Haus ist schon relativ alt. Muss der/die Beschenkte Auskunft über die Höhe des Erlöses aus der verkauften Immobilie geben? Die Mutter ist im Pflegeheim. Es ist noch etwas Vermögen vorhanden, um das Heim zu finanzieren. Dass dies aufgebraucht wird, ist jedoch abzusehen. Wer kommt dann für die Kosten auf?“

Sie sind richtig informiert: obwohl Sie Miterbe geworden sind, können Sie (ebenso die anderen Geschwister) wegen der Schenkung des Hauses einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung geltend machen. Anders als der Pflichtteilsanspruch, der nur besteht, wenn man von der Erbschaft ausgeschlossen ist, steht der Ergänzungsanspruch auch dem Erben zu; er soll ja vor nachlassmindernden Schenkungen schützen.

Allerdings müssen Sie sich anrechnen lassen, was Sie als Erbe aus dem Realnachlass erhalten haben. Der Ergänzungsanspruch Ihrer Mutter ist eher unsicher; unter Verweis auf eine aktuelle Rechtsprechung des Amtsgerichts Deggendorf könnte ihr die Gegenseite widersprüchliches Verhalten nach Treu und Glauben entgegenhalten, nachdem sie ja am Schenkungsvertrag beteiligt war.

Zur Berechnung des Anspruchs gilt das Niederstwertprinzip: Der Wert der Immobilie zum Zeitpunkt der Schenkung wird mit dem Wert am Todestag verglichen. Der niedrigere Wert zählt. Verkehrswert ist der Erlös, den man bei einer Veräußerung erzielen würde. Bei einer zeitnahen Veräußerung kann der Verkehrswert an den Kaufpreis angelehnt werden. Daher steht Ihnen das Recht zu, über den Kaufpreis informiert zu werden. Soweit das Gebäude alt ist, können Sie auch den Bodenrichtwert als Anhaltspunkt heranziehen. Am sichersten wird man den Wert durch ein Gutachten bestimmen.

Nachdem zwischen der Schenkung und dem Ableben Ihres Vaters mehr als ein Jahr vergangen ist, bemisst sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen des Abschmelzungsgrundsatzes nur aus einer Quote von 90 Prozent des Schenkungswerts.

Zur Abdeckung der Pflegeheimkosten ist auf das Vermögen Ihrer Mutter zuzugreifen. Bei Verarmung der Schenkerin zählt zu ihren Vermögenswerten der Anspruch auf Rückforderung des Geschenks. Der Sozialträger wird diesen Anspruch gegen den Beschenkten prüfen und gegebenenfalls auf sich überleiten.

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