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Nießbrauch mindert Wert

von Redaktion

Wie Sie wahrscheinlich schon wissen, beträgt der Freibetrag zwischen Eltern und Kindern pro Person genau 400 000 Euro. Das heißt, in Ihrem Fall wäre es möglich, bis zu 800 000 Euro ohne Steuerbelastung zu übertragen. Da laut Ihrer eigenen Angabe die Immobilie etwa 950 000 Euro wert ist, raten wir im ersten Schritt zu einer Bewertung nach schenkungsteuerlichen Kriterien. Danach wissen Sie, welche Summe tatsächlich im Raum steht. Der Wert, der auf dem freien Markt erzielt wird, ist nicht immer mit dem Wert, den das Finanzamt ermittelt, vergleichbar und mitunter höher. Die von Ihnen vorgeschlagene Gestaltung, ein zusätzliches Nießbrauchsrecht einzuräumen, ist generell eine sehr elegante Lösung, um Vermögen zu übertragen und gleichzeitig den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Neben generellen Bedenken zum Nießbrauch sehe ich Ihre vorgeschlagene Idee relativ kritisch. Warum? Ihr zuständiger Finanzbeamter könnte bezweifeln, ob dieser Nießbrauch wirklich eine Belastung darstellt, wenn Sie diesen niemals in Anspruch nehmen wollen.

In der Tat sind Sie nicht die erste Familie, die diese Idee hatte, wenn auch in leicht abgeänderter Form. Das hessische Finanzgericht hat mit rechtskräftigem Urteil vom 18. Mai 2015 (Az: 1 K 119/15) entschieden, dass ein Wohnrecht als Duldungsauflage auch dann abgezogen werden darf, wenn dieses mehrere Jahre nicht genutzt wird. Das Wohnrecht unterscheidet sich vom Nießbrauchsrecht. Dennoch konnte ich einzelne Meinungen in der Literatur finden, die diese Entscheidung auch auf das Nießbrauchsrecht übertragen. Ein Urteil findet sich diesbezüglich nicht. Darum ist es aus meiner Sicht unklar, ob das Finanzamt beide Fälle gleichbehandelt, auch wenn meiner Meinung nach vieles dafür spricht.

Grundsätzlich kommt es immer darauf an, wie das Nießbrauchsrecht vertraglich geregelt wird. In den meisten Fällen raten wir unseren Mandanten dazu, dass derjenige, der die Einnahmen erhält, auch die Kosten trägt. Hier unterscheiden wir zwischen laufenden Kosten, Instandhaltungskosten, wie ein defektes Türschloss auswechseln, und größeren Kosten, wie zum Beispiel eine Dachrenovierung. Im vorgeschlagenen Fall wären die Mieteinkünfte laut Steuerbescheid in etwa der Jahresertrag, der in einem zweiten Schritt dann auf die statistische Lebenserwartung hochkapitalisiert wird. Dieser Wert mindert die Schenkung.

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