Prämiensparverträge waren in Deutschland einmal eine beliebte Vorsorgeform. Noch Mitte der Nullerjahre haben vor allem Sparkassen dieses über 15 bis 20 Jahre laufende Produkt angeboten. Geködert wurden Kunden mit anfangs mageren, zum Ende hin aber imposanten Prämienversprechen von bis zu 50 Prozent für die Einzahlung im letzten Vertragsjahr.
Dann aber kam die Niedrigzinsphase. Banken haben Kunden reihenweise die Verträge gekündigt, was strittig ist. Im Mai 2019 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil (Aktenzeichen XI ZR 345/18) zu Gunsten der Banken und Sparkassen gefällt. Aber damit ist das Thema weder vom Tisch noch final geklärt, kritisieren Verbraucherschützer. Das wollen sie korrigieren und klagen nun. „Die Sparkasse Nürnberg war in Bayern die erste, die angefangen hat, massenhaft Sparverträge zu kündigen“, erklärt Sascha Straub die Wahl des Instituts. Dutzende Sparkassen bundesweit hätten zuletzt ihre Prämiensparer vor die Tür gesetzt. Allein bei der Sparkasse Nürnberg waren es rund 22 000 Anleger.
Überprüfen lassen wollen die Verbraucherschützer das mit einer Musterfeststellungsklage. Über dieses Vehikel können sich – wie beim VW-Skandal – viele Betroffene beteiligen, ohne selbst ein Klagerisiko eingehen zu müssen. Die Verbraucherzentrale Bayern kooperiert mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), weil dem Schritt grundsätzliche Bedeutung zugemessen wird. „Wir wollen Rechtsklarheit, ein Urteil hätte Signalwirkung auch für andere Sparkassen“, sagt Straub. Vom BGH-Urteil von 2019 lässt er sich nicht abschrecken. Denn die Richter hätten nur über 15 Jahre laufende Verträge geurteilt. „Bei uns geht es um Kündigung und Zinsnachberechnung von Verträgen mit 20-jähriger Prämienstaffel und solchen mit 99 Jahren Laufzeit“, erklärt Straub. Denn die Sparkasse Nürnberg habe Prämiensparern über Jahre hinweg falsche und zu wenig Zinsen berechnet.
Die beklagte Sparkasse weist das von sich, will sich aber zur Klage nicht im Detail äußern. Denn sie liege dem Institut noch nicht vor, erklärt eine Sprecherin.
„Nach unseren Berechnungen belaufen sich die Ansprüche auf durchschnittlich 4200 Euro pro Vertrag“, sagt Straub mit Blick auf mutmaßlich falsch berechnete Zinsen. Bei rund 22 000 Verträgen wären das über 90 Millionen Euro. Voraussetzung ist, dass die Kläger vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht Recht bekommen. Auch wenn nicht alle Betroffenen mitmachten, gehe es um Nachzahlungen in Millionenhöhe, betont Straub. Zudem kämen die Vertragskündigungen auf den Prüfstand.
„Eine Beteiligung ist für Sparer kostenlos“, sagt vzbv-Jurist Sebastian Reiling. Beteiligen könne sich jeder, der bei der Sparkasse Nürnberg einen Sparvertrag „Prämiensparen flexibel“ abgeschlossen habe. Um zu klären, ob ein Vertrag zur Musterklage passt, haben die Verbraucherschützer ein Infotelefon (0911/993 990 27) eingerichtet. Auch seien Klagen gegen andere Institute mit über 150 000 Prämiensparern in Prüfung, sagt Straub. THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN