Welche Hilfsmittel die Kasse zahlt

von Redaktion

VON MAIK HEITMANN

Zu den Hilfsmitteln zählen alltägliche Dinge wie Brillen, Einlagen oder Bandagen genauso wie anspruchsvollere Produkte, wie zum Beispiel Prothesen oder E-Rollstühle. Im sogenannten Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung werden diejenigen Hilfsmittel aufgelistet, die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Das Verzeichnis enthält auch eine Auflistung der Pflegehilfsmittel gemäß der gesetzlichen Pflegeversicherung.

Die Liste wird vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt und fortlaufend aktualisiert. Weit über 30 000 Produkte werden inzwischen gelistet. Einzusehen ist das Verzeichnis unter https://hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de. In den meisten Fällen läuft es so (und überwiegend problemlos), dass ein Kassenpatient ein Hilfsmittel verschrieben bekommt, die Kasse die Kostenübernahme bestätigt und das Produkt abgeholt oder – bei größeren Dingen – geliefert wird. Doch manchmal gibt es Ärger zwischen Kasse und Patient. Hier eine Auflistung außergewöhnlicher Streitfälle aus der jüngsten Vergangenheit.

Begleithund

Ein Grundschüler, der seit seiner Geburt an einem fetalen Alkoholsyndrom leidet (seine Mutter war Alkoholikerin), und deswegen sehr unruhig ist und zum Redeschwall neigt, muss nicht auf Kosten der Krankenkasse einen ausgebildeten Begleithund zur Seite gestellt bekommen. Die (Pflege-)Eltern des Jungen, der seit dem Kindergarten von einer Integrationshelferin begleitet wird, könnten das auch dann nicht durchsetzen, so das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, wenn die positive Wirkung des Hundes außer Frage stünde. Ein Haustier werde nicht durch die förderlichen Auswirkungen zum Hilfsmittel (AZ: L 16 KR 253/18).

E-Roller

Ein 80-jähriger Gehbehinderter verlangte die Kostenübernahme für einen E-Roller. Er argumentierte, der „Eco-Fun“-Roller helfe ihm mehr als ein Rollstuhl, der von der Kasse zu finanzieren sei. Er könne ihn zusammengeklappt im eigenen Pkw sowie auf Busreisen gut transportieren. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen machte aber deutlich, dass der Roller kein zugelassenes Hilfsmittel und nicht medizinisch geprägt ist. Allein der Name „Eco-Fun“ spreche für ein Freizeitgerät (AZ: L 16 KR 151/20).

E-Bike

Ähnlich folgender Fall vor demselben Gericht: Ein Schwerbehinderter („GdB“ 80), dem ein Bein amputiert werden musste, verlangte die Finanzierung eines – seinerzeit noch nicht so populären – E-Bikes. Sein Argument, das Rad versetze ihn in die Lage, weiter am Straßenverkehr teilzunehmen und gleiche seine Behinderung aus, punktete nicht. Das E-Bike sei ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Die Kassen müssten nur Hilfsmittel bezahlen, die „ausreichend und zweckmäßig“ seien (AZ: L 4 KR 454/11).

Exoskelett

In einer Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen konnte sich ein Querschnittsgelähmter gegen die Krankenkasse durchsetzen. Es ging um ein sogenanntes Exoskelett als orthopädisches Hilfsmittel, das die Funktion der Beine ersetzt. Die Krankenkasse müsse zahlen, weil das Skelett selbstständiges Stehen und Gehen möglich mache. Die Kasse dürfe nicht einfach auf einen Aktiv- und auf einen Stehrollstuhl verweisen. Das Bundessozialgericht wird hier das letzte Wort haben (AZ: L 5 KR 675/19).

GPS-Uhr

Ein 19-jähriger Behinderter, der an einem Down-Syndrom und an Weglauftendenz leidet, setzte sich durch. Seine Kasse wurde dazu verpflichtet, die vom Arzt verordnete GPS-Uhr mit Alarmfunktion zu bezahlen. Sie könne nicht darauf verweisen, dass es sich bei der Uhr nicht um ein Mittel zum Ausgleich der Behinderung handele, sondern um eine Patientenüberwachung. Das LSG Niedersachsen-Bremen sah das anders und urteilte, dass die herkömmlichen Maßnahmen wie verschlossene Türen oder ständige Begleitung den Mann mehr isolierten als das GPS-Armband, durch das er Bewegungsfreiheit und Mobilität gewinne (AZ: L 16 KR 182/18).

Hörgerät

Ein Schwerhöriger, der als Projektleiter in einem Ingenieurbüro oft auf Baustellen unterwegs ist, konnte die Forderung gegen seine Krankenversicherung durchsetzen, ein hochwertiges Hörgerät zu erhalten. Denn er als behinderter Mensch habe Anspruch auf medizinische Rehabilitation, um berufliche Einschränkungen zu vermeiden. Dazu gehörten – laut Hessischem Landessozialgericht – auch hochwertige Hörgeräte, die Geräuschkulissen automatisch für das Ohr auf eine gesunde Frequenz regeln (AZ: L 1 KR 229/17).

Orthese

Leidet ein Mann an einer Fußheberteillähmung, so muss ihm die Krankenkasse die Kosten für ein Hilfsmittel bezahlen, das (vereinfacht ausgedrückt) mit elektrischen Impulsen in der Wadenmuskulatur dafür sorgt, dass der Fuß angehoben werden kann (= „WalkAide-Myo-Orthese“). Das Hessische Landessozialgericht widersprach der Kasse, dass eine solche Orthese nicht wirtschaftlich sei. Das gelte auch dann, wenn sie – mit 10 000 Euro – recht teuer und nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt ist. Gibt es kein gleichwertiges, günstigeres Produkt, so könne von einer Wirtschaftlichkeit ausgegangen werden (AZ: L 1 KR 262/18).

Schuhspanner

Noch ein Fall aus Nordrhein-Westfalen. Das Landessozialgericht dort urteilte, dass die Krankenkassen orthopädische Hilfsmittel, wie orthopädische Maßschuhe, bezahlen müssen, falls dafür eine ärztliche Verordnung vorliegt. Orthopädische Schuhspanner hingegen nicht. Das seien keine „Hilfsmittel“ in diesem Sinne und auch nicht als Zubehörteil für orthopädische Maßschuhe auf Kosten der Krankenkasse zu haben. Für die Pflege der Schuhe müsse der Versicherte selbst aufkommen (AZ: L 11 KR 566/15).

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