Steigende Infektionszahlen? An der Börse sind sie derzeit allenfalls ein Randthema. Jedenfalls ist der Deutsche Aktienindex Dax in der abgelaufenen Woche wieder deutlich über die Marke von 13 000 Zählern gestiegen. Der traditionell gefürchtete Börsenmonat Oktober hat trotz Corona bislang für keinerlei Schrecken gesorgt. Seit Ende September hat der Index um rund 300 Punkte oder rund 2,5 Prozent zugelegt.
Grund für die vermeintliche Ignoranz auf dem Börsenparkett: Dort wird die Zukunft gehandelt. Und da setzen die Börsianer darauf, dass Corona-Zahlen wieder sinken und vor allem rasch ein Impfstoff gefunden wird. Auch die an den Finanzmärkten reichlich vorhandene Liquidität schürt ihre Zuversicht ebenso wie Prognosen von Ökonomen, wonach sich die Wirtschaft schneller erholt als bislang erwartet. Andreas Hürkamp von der Commerzbank weist darauf hin, dass sich auch die Erwartungen für die Gewinne der Unternehmen stabilisiert hätten. Alles nicht so schlimm wie befürchtet, lautet der Tenor an den Finanzmärkten.
Aber auch abgesehen von Corona bleiben Risiken: Die Gefahr, dass die britische Regierung den Brexit ohne Vertrag durchzieht und damit ab Anfang 2021 Zölle zwischen der EU und Großbritannien drohen, nimmt zu. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China ist ungelöst. Und auch die anstehende US-Präsidentschaftswahl sorgt für Unsicherheit. Droht in den USA möglicherweise ein Chaos, sollte Präsident Trump eine Niederlage nicht akzeptieren? Interessant bleibt, dass viele Börsianer und Ökonomen, die Covid-19-Erkrankung Trumps fast schon als Schock wahrnehmen und einen Wahlsieg von Joe Biden kritischer sehen – er könnte ja unter anderem Steuern erhöhen – als eine erneute Amtszeit des höchst umstrittenen Trump, der internationale Organisationen torpediert und dem Protektionismus das Wort redet.
Alexander Lukas von der Weberbank rät zur Vorsicht. „Anleger sollten sich auf eine stürmische Herbstphase an den Kapitalmärkten einrichten“. Rücksetzer seien nicht auszuschließen, heißt es bei Michael Bissinger von der DZ Bank. Und auch Commerzbanker Hürkamp sieht den Dax bis Jahresende stark schwanken – zwischen 12 000 und 13 600 Zählern bei einem Endstand von 12 500 zum Ultimo.
Auch Ulrich Kater, Chef-Ökonom der DekaBank, rechnet vorerst mit einer Seitwärtsbewegung des Dax. Erst zusätzliche Unsicherheiten wie stärkere Insolvenzzahlen als vorhergesagt, könnten für Abwärtsdruck an den Finanzmärkten sorgen. Mit Spannung wird die anstehende Berichtssaison für das dritte Quartal erwartet, zumal angesichts der vergleichsweise hohen Bewertung an den Aktienmärkten, wie Christian Apelt von der Landesbank Hessen-Thüringen betont.
ROLF OBERTREIS