Mit Kosmetikartikeln und Massagegutscheinen ist man irgendwie durch. Konzertkarten gab es die letzten Jahre schon und mit dem Massenkonsum an Weihnachten steht man ohnehin eher auf Kriegsfuß. Spätestens dann heißt es in vorweihnachtlichen Gesprächen: „Wir schenken uns diesmal nichts“.
Ein Konzept, von dem Philosoph und Buchautor Wilhelm Schmid nur abraten kann. Denn Geschenke seien mehr als nur die bloße Übergabe von Gegenständen. „Vielmehr entsteht ein inniges Zusammensein, eine vertraute Atmosphäre, die den Prozess des Schenkens umrahmt“, sagt Schmid.
Nach den coronabedingten Einschränkungen der vergangenen Monate scheinen die Deutschen 2020 bei Weihnachtsgeschenken für ihre Lieben offenbar besonders großzügig. Durchschnittlich planten sie Ausgaben von 500 Euro pro Kopf und damit deutlich mehr als in früheren Jahren (2019: 475, 2018: 472). Das geht aus einer Weihnachtsumfrage der privaten FOM-Hochschule in Essen hervor.
Dabei muss eine Überraschung nicht zwingend teuer sein, bestätigen Studien der US-amerikanischen Forscher Francis Flynn und Gabrielle Adams. Sie untersuchten, ob und wie sich der Preis eines Geschenks auf die Freude der Beschenkten auswirkte. Das Ergebnis: Egal ob etwa CD oder iPod, die Freude der Beschenkten veränderte sich nicht.
„Das überrascht mich nicht“, meint Schmid. Denn ein gutes Geschenk sei ein aufmerksames. „Alles andere zeugt nur von Ignoranz und fehlender Achtsamkeit“, sagt der 67-Jährige. Daher rät Schmid, Präsente auf die Vorlieben und individuellen Wünsche des Empfängers abzustimmen.
Studien geben ihm Recht. Forschungen an der Harvard University zeigen, dass sich Beschenkte deutlich mehr über ein Präsent freuen, wenn sie es sich ausdrücklich zuvor gewünscht haben. Der Grund: Sie betrachten es als Ausdruck besonderer Mühe und Aufmerksamkeit.
Noch beliebter als liebevoll ausgesuchte Überraschungen scheinen nur Geldgeschenke zu sein. 2019 wollte mehr als jeder zweite Verbraucher (56 Prozent) auf diese Weise der Gefahr entgehen, beim Kauf danebenzugreifen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Unternehmensberatung Ernst & Young hervor. „Geld geht immer – vor allem bei Kindern und Jugendlichen“, sagt Schmid. Denn so habe man selbst die Freiheit, zu entscheiden, was man toll finde und was nicht.
„Aufmerksame Gaben werden immer seltener. Wir schenken, weil wir müssen“, sagt Schmid, der das Buch „Vom Schenken und beschenkt werden“ geschrieben hat. Jedes Geschenk erzwinge ein Gegengeschenk. Der Philosoph bezeichnet den Prozess als „gegenseitiges Hochgeschaukele“, um Beziehungen zu pflegen. Die Aufmerksamkeit bleibe jedoch immer mehr auf der Strecke.
Puppen und Kuscheltiere sind nach den Worten der Puppenforscherin und Psychologie-Professorin Insa Fooken oft Seelentröster. „Sie geben Halt bei Angst, bei Trauer, bei Verlusterfahrungen“, sagte die Frankfurter Wissenschaftlerin. Besonders für Kinder seien sie so etwas wie ein menschliches Gegenüber, das als Dialogpartner inszeniert werde: „Man kann sie anschreien, beschimpfen, abknuddeln, man kann sie in die Ecke stellen und sie tragen nicht nach.“ Sie ließen Vergebung erfahren, rechneten Schuld nicht auf, seien nicht beleidigt oder böse und würden auch den Kontakt nicht abbrechen, verdeutlichte Fooken. „Insofern geben sie immer wieder die Chance zu einem Neuanfang, selbst dann, wenn man glaubt, jetzt ist Schluss, da lässt sich nichts mehr verhandeln.“
Mit ihnen könnten ohne pädagogischen Zeigefinger Beziehungen erprobt und dabei Regie geführt werden: „Für Kinder, für Menschen überhaupt ist es zentral, so etwas wie Selbstwirksamkeit zu spüren, also sich selbst als jemand zu erleben, der bestimmt, was passiert und was dabei herauskommt.“
Fooken verwies auf die Geschichte der Begriffe „Seelenkind“ und „Seelen-Trösterlein“.
Geschenke fallen 2020 großzügig aus
Puppen dienen als Seelentröster