Nicht nur Christoph Schalast, Banken-Professor an der Frankfurt School of Finance, hat sich verwundert die Augen gerieben, als am Donnerstag auf den Aktienkurs des Wohnungsvermittlers Airbnb schaute. Er habe es nicht glauben können und fühle sich an den Hype am Neuen Markt vor 20 Jahren erinnert. Damals gab es an der Börse in Frankfurt einen Run auf Techfirmen, deren Verluste größer waren als der Umsatz. Etliche waren kurze Zeit später Pleite.
Der größte Börsengang in diesem Jahr in den USA wurde am Donnerstag zu einem Spektakel: Um mehr als das Doppelte schnellte der Kurs der Airbnb-Aktie am ersten Handelstag in die Höhe. Das Unternehmen verbuchte eine Einnahme von 3,5 Milliarden Dollar. Mit mehr als 100 Milliarden Dollar wird das Unternehmen bewertet – mehr als hierzulande der Versicherungskonzern Allianz. Das sei Fantasie und habe nichts mit den Finanzzahlen von Airbnb zu tun, sagt Schalast. In den ersten neun Monaten hat die Firma Verluste von fast 700 Millionen Dollar verbuchen müssen.
An der Frankfurter Börse wollen Händler und Anleger von diesem Hype nichts wissen. Sie schauen sorgenvoll auf die stark steigenden Zahlen der Corona-Infektionen weltweit. Und den anstehenden scharfen Lockdown. „Die Börse könnte auf ein etwas trübes Jahresende zusteuern“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank.
Der Deutsche Aktienindex Dax verabschiedete sich von seinem in den Wochen davor erstaunlichen Höhenflug und bewegte sich bei einem Minus von zwei Prozent zeitweise in Richtung der Schwelle vom 13 000 Punkten, bevor er sich wieder auf mehr als 13 100 nach oben hangelte, aber trotzdem die Woche mit einem Minus von rund 1,3 Prozent abschloss. Dass konnte auch die noch großzügigere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht verhindern. Sie stockt ihr Krisenprogramm um 500 Milliarden auf 1,85 Billionen Euro auf und verlängert es bis März 2022. Das verdeutlicht die Sorgen, die am Freitag auch die Bundesbank untermauert. Bekommen die Staaten die Pandemie im Winterhalbjahr nicht in Griff, könnte sich die Rückkehr der Wirtschaft zum Vorkrisen-Niveau bis Ende 2023 hinziehen, so die Notenbanker.
Trotzdem bleiben Börsianer wie Robert Halver von der Baader Bank gelassen. „Zurzeit zeigt der Dax wenig Interesse, aus dem Seitwärtstrend auszubrechen. Und in den USA spricht ein zu großer Überhang von Optimisten zu Pessimisten für eine vorübergehende Konsolidierung.“ ROLF OBERTREIS