Früher schuldenfrei

von Redaktion

VON SUSANNE SASSE

An sich sollte das Gesetz, das eine EU-Richtlinie umsetzt, erst Ende nächsten Jahres kommen. Um eine mögliche Pleitewelle wegen der Corona-Krise abzumildern, hat es der Gesetzgeber nun vorgezogen „Wir begrüßen das sehr, vor allem jetzt wegen Corona haben wir von der Schuldnerberatung sehr auf dieses Gesetz gewartet“, sagt Schuldnerberaterin Erika Schilz. Sie prognostiziert eine Welle an Insolvenzen.

Viele Insolvenzen wurden zurückgestellt

Im November wurden 35 Prozent weniger Insolvenzverfahren eröffnet als im November 2019. Aber Entwarnung gibt es deshalb nicht – im Gegenteil: Die Forderungen der Gläubiger lagen mit heuer 39,3 Milliarden Euro deutlich über dem Vorjahreszeitraum (15,5 Milliarden). „Viele überschuldete Unternehmen und Verbraucher wussten, dass Erleichterungen anstehen und haben deshalb zugewartet“, vermutet Philipp Ganzmüller, Geschäftsführer der Münchner Niederlassung von Creditreform. Er sieht in den Änderungen ein Signal. Vor allem eine schnellere Restschuldbefreiung erleichtere es Unternehmern und Privatleuten, nach wirtschaftlichen Krisen schneller wieder neu zu starten, erklärt Ganzmüller. So seien in Frankreich, den USA und auch Großbritannien die Verfahren weit schneller, teils sei man dort schon nach sechs Monaten alle Schulden los. „In Deutschland dagegen stand bislang der Gläubigerschutz im Fokus“, so Ganzmüller. Künftig werde nun mehr Wert darauf gelegt, dass sich die Volkswirtschaft schneller erholt. „Dass eine Beschleunigung kommt, war klar, viele Insolvenzanträge liegen bereits in den Schubladen“, bestätigt Schuldnerberaterin Erika Schilz. Der Bedarf nach Schuldnerberatung habe im Zuge der Corona-Pandemie stark zugenommen: „Wir haben in der Schuldnerberatung der Stadt München derzeit drei Mal so viele Anfragen wie im Dezember 2019“, sagt Schilz.

Künftig schnellere Restschuldbefreiung

Das Verfahren zur Restschuldbefreiung im Rahmen einer Insolvenz braucht beim ersten Mal nur noch drei statt der derzeit üblichen sechs Jahre. Eine solche Verkürzung war bisher nur möglich, wenn die Schuldner alle Verfahrenskosten und 35 Prozent der Forderungen der Gläubiger beglichen hatten. Nun geht es auch ohne. Die Verkürzung soll rückwirkend für alle Insolvenzverfahren gelten, die ab dem 1. Oktober beantragt wurden – und damit ausdrücklich auch Schuldnern helfen, die durch die Corona-Pandemie in die Insolvenz geraten sind. Gestaffelt wird die Wohlverhaltensphase, in der die restlichen Schulden erlassen werden, auch schon für Insolvenzanträge verkürzt, die ab 17. Dezember 2019 gestellt wurden. Allerdings steht künftig noch drei Jahre nach der erfolgreichen Restschuldbefreiung ein Eintrag darüber in der Schuldnerkartei Schufa.

Die Schuldner haben allerdings weiterhin bestimmte Pflichten, müssen etwa arbeiten oder sich zumindest um Arbeit bemühen. In der sogenannten Wohlverhaltensphase nach Ende des Insolvenzverfahrens müssen sie nicht nur Vermögen aus Erbschaften, sondern auch Schenkungen zur Hälfte herausgeben. Gewinne aus Lotterien müssen sie vollständig abgeben. Zudem dürfen sie nur „angemessene Verbindlichkeiten“ eingehen. Braucht ein Arbeitnehmer beispielsweise ein Auto, ist ein Luxuswagen unangemessen.

Insolvenzantragspflicht weiter ausgesetzt

Normalerweise muss ein Insolvenzantrag eines Unternehmens spätestens drei Wochen nach Eintritt eines Insolvenzgrunds wie Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gestellt werden. Diese Pflicht ist weiter ausgesetzt worden – mindestens bis Januar 2021.

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