„Mit der EZB ist das ganze Jahr Weihnachten“

von Redaktion

Kurz vor Weihnachten war es fast so weit: Mit 13 774 Punkten näherte sich der Deutsche Aktienindex Dax am Freitag im Corona-Krisenjahr bis auf 21 Punkte seinem Rekordstand vom 17. Februar. Das war der höchste Stand seit dem Beginn der Pandemie. Zur Erinnerung: Seit dem Jahrestief von 8255 Punkten am 16. März hat das deutsche Börsenbarometer mehr als 65 Prozent zugelegt.

Obwohl die Corona-Neuinfektionen hierzulande weiter extrem hoch sind und auch weltweit keine Entspannung zu erkennen ist; obwohl das Impfen länger dauern wird als erhofft; obwohl es einen erneuten Lockdown gibt; obwohl Ökonomen reihenweise ihre Wachstumsprognosen für 2021 nach unten korrigiert haben. Und obwohl es mit Blick auf den Brexit selbst 13 Tage vor dem Ende der Übergangsfrist immer noch keinen Vertrag gibt.

„Die aktuelle Corona-Lage widerspricht komplett den Finanzmärkten“, sagt denn auch Christian Apelt, Analyst bei der Landesbank Hessen-Thüringen. Und trotzdem gibt es weiter gute Gründe für die Aktienanlage: Dazu zählen die weiter sehr großzügigen Notenbanken. „Mit der Europäischen Zentralbank (EZB) ist das ganze Jahr Weihnachten“, sagt Robert Halver von der Baader Bank. Damit bleiben Sparanlagen und Anleihen weiter unattraktiv. Sie bescheren Anlegern und Investoren in vielen Fällen sogar nach Abzug der Inflation Verluste. In den USA verspricht der neue Präsident eine verlässlichere Politik, auch wenn Kontroversen bleiben. Aber Joe Biden wird wieder das Gespräch auch mit den Europäern suchen. Politik, Attacken und unwahre Behauptungen per Twitter durch den noch rund vier Wochen amtierenden Präsidenten haben dann ein Ende. Auch das weiß man an der Börse zu schätzen.

Und dann verbreiteten deutsche Manager am Freitag Zuversicht. Sie ließen den wichtigen Ifo-Geschäftsklima-Index kletterten und signalisierten damit überraschende Zuversicht. Die deutsche Wirtschaft sei insgesamt widerstandsfähig. Freilich: Die Mehrheit der Manager hatte sich vor dem neuerlichen Lockdown geäußert.

All das zeigt wieder einmal, dass die Börse nicht auf das schaut was war, sondern auf das was kommt. Und da verspricht 2021 trotz aller Skepsis nach dem dramatischen Wirtschaftseinbruch in diesem Jahr wieder Wachstum. Was natürlich auch den Unternehmen hilft. Die Stimmung auf den letzten Metern des Börsenjahres 2020 sei gut, sagt Joachim Goldberg vom gleichnamigen Analysehaus. Aber nicht zu gut oder gar euphorisch. Damit ist die Chance gewahrt, dass der Dax in den restlichen sechs Handelstagen doch noch einen neuen Rekord verbucht.

ROLF OBERTREIS

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