Autofahrer vor Gericht

von Redaktion

Rückwärts ausgeparkt

Eine gesteigerte Sorgfaltspflicht – die müssen Autofahrer in vielen Situationen an den Tag legen. So müssen sie etwa besonders gut aufpassen, wenn sie rückwärts von einem Parkplatz auf die Straße fahren. Der sogenannte Anscheinsbeweis spricht nämlich dem Ausparkenden meist die alleinige Schuld zu, falls es zu einem Unfall kommt. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgericht Saarbrücken (Az.: 4 U 6/20), von dem die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins berichtet.

Der Fall: Eine Frau hatte vor einem Café auf dem Bürgersteig geparkt und fuhr dann mit ihrem Auto rückwärts aus der Lücke auf die Straße. Dabei stieß sie mit einem Auto zusammen, das nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte. Das machte die Frau dem Auffahrenden zum Vorwurf. Dieser hätte ihr Fahrzeug auf der Straße erkennen müssen und rechtzeitig bremsen können.

Das Urteil: Das sah das Gericht anders. Wer rückwärts auf die Straße fährt, hat eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Wer sich nicht dran hält, müsse aufgrund des Anscheinsbeweises meist allein haften. Auch die Betriebsgefahr, die von anderen Fahrzeugen ausgeht, tritt dahinter zurück. Die Frau konnte nicht beweisen, dass sie bereits ausreichend als Hindernis für den anderen erkennbar gewesen war. Und Zweifel, so das Gericht, gingen zulasten desjenigen, gegen den der Anscheinsbeweis gelte.

Spur gewechselt

Wenn es im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Spurwechsel zu einem Zusammenstoß kommt, kann davon ausgegangen werden, dass der Wechsel nicht sorgfältig genug war. Das zeigt ein Urteil (Az.: 10 U 3493/20) des Oberlandesgerichts München (OLG), auf das der ADAC hinweist.

Der Fall: Ein Autofahrer fuhr auf der Autobahn, als vor ihm ein anderes Auto die Spur wechselte. Dabei stießen beide zusammen. Der Hintermann wollte nun seinen Schaden vom Spurwechsler ersetzt bekommen. Er selbst wähnte sich unschuldig am Geschehen und brachte zudem ein, der Vordermann habe nicht geblinkt. Dieser jedoch weigerte sich und sah die Schuld beim Hintermann. Denn der Spurwechsel wäre bereits beendet gewesen. Er hätte die Spur gewechselt, leicht das Tempo verringert und hätte wenige Sekunden später die Kollision gespürt.

Das Urteil: Das sah das Gericht anders. Ein Sachverständiger ermittelte eher seitliche Unfallspuren am Auto. Ein Blinken des Spurwechslers konnte auch nicht nachgewiesen werden. Auf der anderen Seite fuhr der Hintermann demnach weder zu schnell oder war unaufmerksam. So sei davon auszugehen, dass ein Spurwechsel nicht mit der notwendigen Sorgfalt vorgenommen worden sei, wenn es in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe dazu zu einer Kollision kommt. So musste hier der Spurwechsler alleine haften. Der Hintermann hätte den Unfall nicht verhindern können.

Auto geknackt

Manche Hausratsversicherungen leisten Schadenersatz für aus einem aufgebrochenen Auto gestohlene Dinge. Die Leistung kann entfallen, wenn beim Diebstahl keine Aufbruchspuren etwa bei einer sogenannten Relay Attack gefunden werden. Dann bestünde nach einem Gerichtsurteil ein erhebliches Missbrauchsrisiko. Das zeigt eine Entscheidung des Amtsgericht München (Az.: 274 C 7752/19), von der der Deutsche Anwaltverein berichtet.

Der Fall. Ein Pilot parkte sein Auto und verließ es für nur fünf Minuten. Als er zurückkam, fehlten sein Pilotenkoffer mit Arbeitsutensilien und sein privater Reisekoffer. Das Auto wies keine Einbruchsspuren auf. Der Pilot erstattete Strafanzeige. Für seinen entwendeten Reisekoffer verlangte der Pilot rund 3300 Euro von seiner Hausratversicherung. Denn diese enthielt eine entsprechende Klausel, nach der gestohlene Sachen nach Aufbrechen eines abgeschlossenen Autos versichert sind. Die Versicherung wollte aber aufgrund fehlender Aufbruchspuren nicht zahlen.

Das Urteil: Der Pilot zog vor Gericht. Ohne Erfolg, die Richter entschieden im Sinne der Versicherung. Zwar gab der Pilot an, das Auto sicher verschlossen zu haben. Das Keyless-Go-System war seiner Ansicht nach durch eine sogenannte Relay Attack entriegelt worden. Dabei überlagern Diebe die Funksignale des Schlüssels, sodass der Wagen offenbleibt. Doch dieser spezielle Fall mit Funkverstärkung eines Signals oder einem falschen Signal sei nicht von der Versicherung abgedeckt, so das Gericht. Der Wortlaut des Begriffs „Aufbrechen“ sei demnach eindeutig und umfasse die Anwendung von Gewalt – meist mit entsprechenden Spuren.

Zu früh geblinkt

Im Straßenverkehr darf man sich nicht blind auf die Blinkzeichen anderer Autofahrer verlassen. Wer als eigentlich Wartepflichtiger wegen zu früh gesetzter Blinker anderer losfährt, muss nach einem Unfall mithaften. Aber auch falsches Blinken und entsprechende Verzögerung können zur Mithaftung führen, wenn danach doch nicht abgebogen wird. Das zeigt ein Urteil (Az.: 12 U 332/ 20) des Oberlandesgerichts Koblenz, auf das der ADAC hinweist.

Der Fall: Ein Autofahrer fuhr auf einer Vorfahrtsstraße auf eine Kreuzung zu. Den rechten Blinker hatte er eingeschaltet und bremste auf rund 25 km/h ab, obwohl Tempo 70 erlaubt war. Ein wartepflichtiger Autofahrer an der Kreuzung fuhr los, weil er mutmaßte, dass der andere abbiegen würde. Das tat dieser aber nicht und es kam zum Unfall. Der andere Autofahrer hätte in eine Werkseinfahrt rund 40 Meter hinter der Kreuzung fahren wollen. Der Mann mit Vorfahrt forderte Schadenersatz.

Sein Argument: Der andere hätte nicht starten dürfen, ohne ganz sicher zu sein, dass er auch wirklich an der Kreuzung abbiegen würde. Das verweigerte jedoch die Versicherung mit dem Hinweis darauf, dass der zu früh gesetzte Blinker und die Drosselung des Tempos diesen Eindruck exakt erweckt hätten.

Das Urteil: Das Gericht teilte die Haftung hälftig auf. Der gesetzte Blinker mit dem Verringern der Geschwindigkeit hatte den Anschein erweckt, dass der Kläger an der Kreuzung abbiegen würde. Aber der Wartepflichtige hätte nicht einfach darauf bauen dürfen, dass der andere unmittelbar abbiegen würde. Es sei insbesondere auch keine rechtsorientierte Fahrweise erkennbar gewesen, die so einen Abbiegevorgang hätten erwarten lassen.

Traktor-Schäden

Verursacht ein Traktor mit Mähwerk durch aufgewirbelte Steine Schäden, kommt es für deren Regulierung darauf an, ob der Traktor als Arbeitsmaschine eingesetzt war oder als Fahrzeug galt. Mähte er eine Wiese, entfällt die Haftung für Verletzte nach einem Steinschlag, wenn Schutzmaßnahmen vorhanden waren. Anders wäre es, wenn es im Straßenverkehr zu Unfällen kommt. Das zeigt ein Urteil (Az.: 1 U 155/18) des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf.

Der Fall: Im verhandelten Fall mähte ein Bauer mit seinem Traktor eine Wiese in der Nähe eines Reitplatzes. Der montierte Kreiselmäher hatte Schutzabdeckungen. Ein Mann auf dem Reitplatz stand in 50 Meter Entfernung und wurde von einem aufgewirbelten Stein getroffen. Er erlitt eine schwere Augenverletzung, brauchte eine künstliche Linse.

Das Urteil: Der Mann klagte auf Schadenersatz und Schmerzensgeld – aber ohne Erfolg. Denn die Verletzung sei nicht aus dem Gefahrenkreis des Straßenverkehrs heraus entstanden, entschied das OLG. Es handele sich damit um ein allgemeines Lebensrisiko, das eine Haftung ausschließt.

Der Fall wäre wohl anders verlaufen, wenn die Maschine zum Beispiel den Seitenstreifen im öffentlichen Verkehr gemäht hätte. Dann komme es zu einer Haftung, wenn Verkehrsteilnehmer verletzt werden oder Fahrzeuge beschädigt werden, so der Anwaltverein mit Verweis auf den Bundesgerichtshof.

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