Enzyme im Essen: Wo die Zutatenliste schweigt

von Redaktion

Die moderne Lebensmittel-industrie verfügt über einen gut gefüllten Werkzeugkasten, um die große Vielfalt verarbeiteter Produkte in den Supermärkten zu ermöglichen. Zusatzstoffe etwa sollen Geschmack, Aussehen und Konsistenz von Lebensmitteln verbessern oder ihre Haltbarkeit verlängern. Durch die gesetzliche Kennzeichnungspflicht, hat jeder die Möglichkeit in der Zutatenliste nachzulesen, welcher Emulgator die Margarine streichfähig macht und welcher Süßstoff in der Lightlimonade steckt.

Nur selten dagegen erscheinen Enzyme in der Zutatenliste. Dabei zählen sie zu den wirkungsvollsten Werkzeugen der Lebensmitteltechnologie. Mit ihrer Hilfe können ganz gezielt Stoffe umgewandelt, auf- und abgebaut werden. Von Natur aus geschieht das in jeder lebenden Zelle: Enzyme sind nahezu an allen Stoffwechselprozessen beteiligt. Sie haben den Vorteil, sehr zielgenau zu arbeiten, da sie stets genau einen Reaktionsschritt ausführen. Das lässt sich nutzen, um etwa Zucker aus pflanzlicher Stärke zu gewinnen anstatt klassisch aus Zuckerrüben.

Der Wirkung von Enzymen aus Bakterien und Hefen bedient sich der Mensch unwissentlich seit Jahrtausenden, etwa beim Brotbacken, Bierbrauen oder Fermentieren von Milchprodukten. Mit den Erkenntnissen und Methoden moderner Biotechnologie ist der Einsatzbereich von Enzymen fast unüberschaubar geworden: In Brot und Semmeln sorgen sie dafür, dass die Teiglinge nicht die industriellen Backstraßen verkleben, das fertige Gebäck eine stabile Kruste bekommt und lange frisch bleibt. Sie verhindern, dass Marzipan auskristallisiert oder gekochte Nudeln verkleben. Sie verbessern die Konsistenz von Schokolade und Eiscreme und können Fette in die gewünschte Form umwandeln. Enzyme beschleunigen auch die Reifung von Fleisch, machen Wurst- und Fleischwaren aromatischer und helfen beim Dicklegen von Milch für die Käseherstellung. Getränkehersteller nutzen Enzyme, um die festen Bestandteile von Obst abzubauen, so wird die Saftausbeute erhöht.

Lange Zeit war die Herstellung von Enzymen für eine breite Anwendung zu teuer. Inzwischen werden sie kostengünstig aus Bakterien, Pilzen und Hefen gewonnen. Oft sind diese Mikroorganismen gentechnisch verändert. Die aus ihnen gewonnenen Enzyme müssen so aufgereinigt werden, dass im fertigen Produkt keine Spuren des Ursprungsorganismus mehr enthalten sind. Der Verbraucher erfährt in der Regel nichts über die im Produkt verwendeten Enzyme. Sie gelten rechtlich oft als „Verarbeitungsshilfsstoffe“ und müssen nicht in der Zutatenliste angegeben werden. Begründet wird das damit, dass die Hilfsstoffe im Endprodukt nur in unvermeidlichen Spuren enthalten sind.

Das ist aus Sicht des Verbraucherschutzes kritisch, Beispiel Transglutaminase. Dieses Enzym macht Brühwürstchen knackig, Rohwürste saftig und bissfest, kann Fleischstücke zu Formfleisch zusammenkleben und bei fettfreien Joghurts die Textur so verbessern, dass sie sich auch ohne Fett cremig im Mund anfühlen.

Ohne eine Kennzeichnung kann der Enzymeinsatz leicht dazu führen, dass Verbraucher über die tatsächliche Qualität eines Produktes getäuscht werden. Auch der Gesundheitsschutz darf nicht außer Acht gelassen werden. Immerhin hat die EU festgelegt, dass Enzyme eine Sicherheitsbewertung durchlaufen. Doch weiterhin ist wenig bekannt zum Beispiel über Wechselwirkungen von Enzymen mit anderen Lebensmittelinhaltsstoffen oder Rückständen von Pflanzenschutzmitteln.

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