Wieder einmal haben Zocker in der abgelaufenen Woche an der Börse ein fragwürdiges Spiel getrieben. Im Fokus: Windeln.de, ein Anbieter für Windeln, Babynahrung und andere Baby-Produkte, der bei einem Umsatz von 14,6 Millionen Euro im ersten Quartal einen Verlust von 3,5 Millionen Euro verbucht hat. Lag der Aktienkurs vor gut einer Woche noch bei weniger als einem Euro, raste er bis Mittwoch auf fast sieben Euro nach oben, um dann wieder um mehr als 35 Prozent abzustürzen. Am Freitag ging es wieder um rund neun Prozent nach oben.
Hintergrund der Kurskapriolen waren fragwürdige Empfehlungen im Internet und in sozialen Netzwerken, unter anderem mit Verweis auf das angebliche Ende der Ein-Kind-Politik in China. Dort erlöst windeln.de 75 Prozent seines Umsatzes. Ob die angebliche Veränderung in China dem Unternehmen etwas bringt, ist völlig offen. Auch von Hedgefonds ist die Rede. Die Finanzaufsicht Bafin rät, die Hinweise in sozialen Medien sehr genau zu prüfen. Dort werden solche Meldungen oft verbreitet, um den Kurs von Aktien zu treiben, die die Urheber selbst besitzen und die sie dann gewinnbringend verkaufen können – während neue Investoren Geld verlieren.
Im Deutschen Aktienindex Dax gab es zum Wochenbeginn mit 15 732 Zählern zwar ein neues Rekordhoch, aber die Aufregungen hielten sich in Grenzen. Zumal die Unternehmensberichte für das erste Quartal abgehakt sind. Zum Wochenschluss pendelt sich der Index unweit des Rekordhochs bei 15 700 Punkten ein. Schließlich hellt sich das Umfeld dank der fortschreitenden Impfungen und der Wiederöffnung von Einzelhandel, Gastronomie und Hotels sowie fallender Reisebeschränkungen weiter auf. Volkswirte verbreiten Zuversicht, selbst die Bundesbank setzt ihre Prognosen für 2021 und 2022 deutlich nach oben.
Eine Bremse für die Firmen droht allerdings durch Probleme in den Lieferketten, steigende Energie- und Rohstoffpreise und Engpässe vor allem bei Halbleitern. Trotzdem könne die deutsche Wirtschaft schon im Sommer das Vor-Corona-Niveau erreichen, sagt die Bundesbank.
Zudem stecken die Zinsen im Keller fest. Für eine Ausstiegsdebatte aus der großzügigen Geldpolitik sei es noch zu viel früh, betont Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB). Sparanlagen und Anleihen bleiben unattraktiv, Aktien sind klar im Vorteil.
Robert Halver von der Baader Bank erwartet angesichts der großzügigen Geldpolitik einen „Aktien-Sommer ohne Angst“. Daran ändere auch die gestiegene Inflationsrate nichts. Sie wird, so Halver, nicht zu einem strengeren Kurs der EZB führen.
ROLF OBERTREIS