Hoffnung für Prämiensparer

von Redaktion

VOM THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

Das Wort klingt harmlos und nach Verwaltungssprache. Aber die Allgemeinverfügung, die von der deutschen Finanzaufsicht Bafin jetzt in Sachen Prämiensparverträge an die Adresse von mindestens 247 heimische Kreditinstitute verschickt wurde, hat es in sich. Denn darin werden die Sparkassen und Banken verpflichtet, ihre Prämiensparer darüber zu informieren, ob in der Vergangenheit nicht zulässige Zinsanpassungsklauseln verwendet wurden. In solchen Fällen, von denen es nach Schätzung von Verbraucherschützern hunderttausende gibt, müssen die Institute eine Zinsnachberechnung liefern, also erklären, wie viel Geld sie ihren Kunden zu wenig bezahlt haben. Das könnte addiert branchenweit eine Milliardensumme ergeben.

„Mit dem Erlass der Allgemeinverfügung betreiben wir effektiven Verbraucherschutz für eine Vielzahl von Bankkunden, die einen langfristigen Prämiensparvertrag mit unwirksamer Zinsanpassungsklausel abgeschlossen haben“, erklärt Bafin-Direktor Thorsten Pötzsch. Eine Verfügung wie diese sei in der Bafin-Geschichte bislang noch nicht erlassen worden, heißt es in seinem Haus ergänzend. Nach dem Skandal um den ehemaligen Dax-Konzern Wirecard will sich die Bafin offenbar nicht mehr nachsagen lassen, nicht genau genug hinzusehen.

In dem seit Jahren vor deutschen Gerichten tobenden Streit zwischen Prämiensparern und Verbraucherzentralen einerseits sowie Kreditinstituten und deren Verbänden andererseits geht es um eine Klausel, die der Bundesgerichtshof (BGH) eigentlich schon im Jahr 2004 für nichtig erklärt hat. Derzufolge beanspruchen Sparkassen und Banken für sich unzulässig das Recht, den Zinssatz von Prämiensparverträgen einseitig und nach eigenem Gutdünken senken zu können. Verbraucherschützer haben deswegen bundesweit Sparkassen vor den Kadi gezerrt, was ein mühsamer Kampf ist, bei dem die Bafin nun wohl entscheidend eingreift.

Um wie viel Geld es letztlich pro Sparer im Schnitt geht, hat die Verbraucherzentrale Bayern in zwei Beispielfällen vorgerechnet. Die Münchner Stadtsparkasse hat demnach im Schnitt pro Vertrag 4600 Euro zu wenig bezahlt, bei der Stadtsparkasse Nürnberg sollen es im Schnitt 4000 Euro gewesen sein. Die betroffenen Institute und ihr Spitzenverband Deutsche Kreditwirtschaft sowie Deutscher Sparkassen- und Giroverband hielten das eigene Vorgehen dagegen bis zuletzt für rechtens. Das könnte sich durch das Machtwort der Bafin nun ändern.

Betroffene Institute, die die Finanzaufsicht auf „mindestens 247 Banken und Sparkassen“ beziffert, können noch binnen eines Monats Widerspruch erheben und vor das Verwaltungsgericht Frankfurt ziehen. Jedoch werden die widerspenstigen Kreditinstitute derzeit in die Zange genommen. Denn auch der BGH will sich demnächst erneut zum Streitfall äußern. Er soll eine verbindliche Berechnungsgrundlage für Zinsänderungen in Prämiensparverträgen liefern. Aus beiden Komponenten, der Bafin-Verfügung und BGH-Berechnungsgrundlage, können betroffene Sparer dann relativ einfach individuelle Forderungen geltend machen. Den Spruch des BGH erwarten Bafin und Verbraucherschützer noch 2021. „Da eine einvernehmliche Lösung mit den Banken gescheitert ist, mussten wir reagieren“, erklärt Pötzsch das ungewohnt deutliche Vorgehen der Bafin.

Zum Jahreswechsel war ein Runder Tisch mit allen Betroffenen an einer pauschalen Verweigerung von Bankenvertretern gescheitert. Jetzt wird eine branchenweite Lösung erzwungen, was den angeschlagenen Ruf von Kreditinstituten weiter ramponieren dürfte. Der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bayern, Sascha Straub, fürchtet deshalb, dass die Kreditinstitute Einspruch gegen die Bafin-Verfügung einlegen und versuchen werden, das BGH-Urteil ins nächste Jahr zu verschleppen, um möglichst viele Verjährungsfälle zu provozieren. Ein Ende des Dauerstreits sei nun aber in Sicht. „Die Bafin hat ein Zeichen für Verbraucherrechte gesetzt“, lobt Straub.

Branchenweit geht es um Milliarden

Institute müssen nachberechnen

Einspruch und Verjährung möglich

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