500 Geldhäuser nehmen Strafzinsen

von Redaktion

Negativzinsen treffen immer mehr Sparer. Das Verwahrentgelt wird zum Teil schon bei Guthaben von 50 000 Euro und weniger fällig. Es trifft hauptsächlich Neukunden. Aber auch wer seit Jahrzehnten seinem Geldhaus treu ist, bekommt nun häufig die Aufforderung, sein Geld anders anzulegen – oder eben Zinsen auf die Einlage zu bezahlen, meist sind das minus 0,5 Prozent.

So erging es auch Anna H. Sie ist seit über 60 Jahren bei ihrer Bank. Jetzt teilte man ihr schriftlich mit, dass die Kündigung ihrer Konten im Raum steht, wenn sie nicht bereit ist, einer Vereinbarung über Verwahrentgelt – also Strafzinsen – zuzustimmen. „Das ist für mich Nötigung!“, so die 79-Jährige. „Was soll ich denn nun machen? Ich brauche doch eine Filiale in meiner Nähe.“ Online-Banking ist für die ehemalige Buchhalterin keine Alternative. Fassungslos macht sie auch, dass sie für ihr Erspartes Strafzinsen zahlen soll. „Ich bin alleinstehend, brauche das Geld doch, wenn ich ein Pflegefall werde.“

Schreiben wie Anna H. bekommen in diesen Tagen hunderte Bankkunden. Laut dem Verbraucherportal biallo.de verlangen inzwischen fast 500 Geldinstitute Strafzinsen auf Guthaben – längst nicht nur von Neukunden. Immer öfter werden auch langjährige Kontoinhaber wie Anna H. aufgefordert, Verwahrentgelt-Vereinbarungen zu unterschreiben. Ansonsten droht die Kündigung. „Das ist leider rechtens“, so Sandra Klug, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie sammelt Erfahrungsberichte betroffener Bankkunden – und hat festgestellt, dass einige Banken die Drohung auch wahr machen und tatsächlich kündigen. Und nicht nur das: Senioren werden zum Beratungsgespräch gebeten und dann zu neuen Geldanlagen überredet, die entweder teuer sind – und der Bank hohe Provisionen bescheren – oder unnötig. Klug: „Da werden Kunden mit Mitte 80 Sofort-Rentenversicherungen aufgedrängt, die für sie völlig unsinnig sind.“

Auch Anna H. wurde zu so einem Gespräch gebeten. Weil sie Angst hat, dem nicht gewachsen zu sein, hat sie abgesagt. Nun fürchtet sie die Kündigung ihrer Konten. Verbraucherschützer empfehlen Kunden wie Anna H., nichts vorschnell zu unterschreiben und angebotene Finanzprodukte von der Verbraucherzentrale prüfen zu lassen. Wer einen Bankwechsel scheut, dem bleibt ansonsten nichts anders es übrig, als Strafzinsen zu akzeptieren. Klug: „Vielleicht nur unter Vorbehalt.“ Denn es laufen Klagen. Bis das höchstrichterlich entschieden ist, kann es noch lange dauern.

WOLFGANG DE PONTE

Artikel 3 von 6