Das Muster ist seit Wochen das gleiche: Sorgen vor steigenden Infektionen, vor der Delta-Variante und vor einer möglicherweise doch länger anhaltenden höheren Inflation sowie einem möglicherweise nicht sehr starken Wachstum lassen Händler und Anleger vorsichtiger werden – die Aktienkurse rutschen ab. Ein, zwei Tage später ist das schon wieder vergessen, die Zuversicht rückt in den Vordergrund. Es wird wieder gekauft, die Kurse legen zu, der Deutsche Aktienindex Dax steigt.
So war es auch in der abgelaufenen Woche. Bis auf 15 049 Punkte rutschte das Börsenbarometer am Montag ab, zum Wochenschluss näherte es sich zeitweise wieder der Marke von 15 700 Zählern. Dagegen erreichte der MDax für die mittelgroßen Werte aus der zweiten Reihe am Freitag schon wieder einen historischen Höchststand. Es ist eine Szenerie, mit der Anlegerinnen und Anleger vermutlich auch in nächster Zeit werden zurechtkommen müssen. Solche Schwankungen werden wohl eher zur Regel statt zur Ausnahme. Aktuell waren wieder mal Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), und der Rat der Notenbank für den Aufschwung verantwortlich. Noch deutlicher als zuvor haben sie am Donnerstag klargemacht, dass die Zinsen noch lange im Keller und die Geldpolitik ultralocker bleiben werden – womöglich bis 2024. Es wird weiter nichts zu sehen sein von Zinsen auf Sparguthaben und bei Anleihen. Der Vorteil liegt weiter klar bei soliden Aktien. Zudem hat die EZB ihre Wachstums-Prognose für 2021 und 2022 angehoben.
Ulrich Kater, Chef-Volkswirt der Deka-Bank, spricht von einer „bemerkenswerten Börsenerholung“ und rechnet mit einer positiven Entwicklung. „Die Stimmung der Unternehmen strebt ihrem Höhepunkt entgegen“. Wichtige Orientierungsgrößen wie der Einkaufsmanager-Index für die Privatwirtschaft erreichten zum Wochenschluss den höchsten Stand seit der ersten Erhebung 1998. Sascha Rehbein von der Weberbank bleibt auch deshalb zuversichtlich, weil viele Unternehmen im zweiten Quartal mit ihren Gewinnen positiv überrascht hätten. Trotz Sorgen wegen der Delta-Variante in Sachen Corona schließt er neue Allzeithochs an der Börse nicht aus. „Die Abkoppelung der Aktienmärkte von der Wirtschaftsentwicklung ist auf absolutem Rekordstand“, sagt Robert Halver von der Baaderbank. Er stehe weit über den fundamentalen Dingen. Und trotzdem sieht der Baader-Banker keine größeren Gefahren – dank der großzügigen Notenbanken. Und den Dax Ende des Jahres bei 16 400 Zählern. Christian Kahler von der DZ Bank sieht im zweiten Halbjahr „zeitweise“ Unruhe am Aktienmarkt. Dennoch nähmen Investments zu. Er traut dem Index Ende 2021 rund 15 700 Punkte zu. ROLF OBERTREIS