Wie Verkehrsgerichte urteilen

von Redaktion

Schnell in der Kurve

Wer zu schnell die Kurve nimmt und dadurch einen Unfall verursacht, haftet allein für den Schaden. Das zeigt ein Urteil (Az.: 10 U 7512/20) des Oberlandesgerichtes (OLG) München, auf das der ADAC hinweist. Im konkreten Fall war ein Autofahrer auf einer Straße gefahren und wollte nach rechts abbiegen. Dort kam ihm ein anderes Auto entgegen. Weil der Abbiegende etwas zügig um die Ecke fuhr, geriet er auf die Spur des anderen Autofahrers. Es kam zum Unfall, der Entgegenkommende forderte Schadenersatz. Die Versicherung verweigerte teilweise die Zahlung, die Begründung: Der Geradeausfahrende habe gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen. Er war etwa einen bis 1,30 Meter vom Fahrbahnrand entfernt gefahren.

Das Gericht entschied jedoch: Es sei nachgewiesen, dass der Unfall nicht passiert wäre, wenn der Abbiegende eine angemessene Geschwindigkeit eingehalten hätte. Zudem sei es nicht nötig, am ganz rechten Fahrbahnrand zu fahren, ein halber bis ein Meter reiche. Der Unfall sei geschehen, weil der Abbiegende durch Überfahren der Mittellinie in die Fahrbahn des anderen Beteiligten geraten sei. Damit hafte er allein für den Schaden.

Abstand zum Bordstein

Entstehen daraus Risiken für Passanten, dürfen Autofahrer innerorts nicht bis ganz an den Bordstein fahren. Ansonsten müssen sie für einen Unfall haften, wenn sie Fußgänger erfassen und verletzen. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken (Az.: 1 U 141/19), über das der Deutsche Anwaltverein berichtet.

In diesem Fall ging es um einen Elfjährigen, der auf dem Schulweg an einer Ampel auf Grün wartete. Dabei stand er an der äußersten Kante des Bordsteins. Eine Frau fuhr an der Ampel vorbei, hatte dabei aber weit weniger als einen Meter Abstand zum rechten Rand der Fahrbahn. So wurde das Kind erfasst und stark verletzt. Allerdings war es nicht nötig gewesen, derart nah am Bordstein vorbeizufahren. Von der Frau wurde danach Schadenersatz und Schmerzensgeld verlangt.

Das Landgericht Kaiserslautern erkannte zu Lasten der Frau eine Haftungsquote von 80 Prozent. Damit nicht einverstanden, ging sie in Berufung, was vor dem OLG aber keinen Erfolg hatte. Im Kern sagte das Gericht, dass innerorts nicht bis an den rechten Bordsteinrand gefahren werden darf, wenn Passanten dadurch gefährdet werden können. Insbesondere dann nicht, wenn Kinder am Rand der Fahrbahn an einer Ampel für Fußgänger warten.

Polizei-Dienstfahrt

Befinden sie sich nicht auf einer Einsatzfahrt mit Sonderrechten, müssen sich auch Polizeibeamte ans Tempolimit halten. Eine einfache Dienstfahrt entlastet sie zumindest nicht, wenn sie zu viel Gas geben. Das zeigt ein Urteil des Amtsgerichts Landstuhl (Az.: 2 OWi 4211 Js 4647/21), auf das der ADAC hinweist.

Zu wenig Abstand

In außergewöhnlichen Situationen wie bei einem Einscheren oder Abbremsen des Vordermanns kann im Straßenverkehr eine Unterschreitung des Mindestabstands als fahrlässig bewertet werden. Gibt es dagegen keine solche Sondersituation, kann das Unterschreiten auch als Vorsatz gewertet werden. Das zeigt laut ADAC ein Urteil des Amtsgerichts Landstuhl (Az.: 2 OWi 4211 Js 1233/21).

In dem Fall ging es um einen Mann, der mit seinem Auto auf der Autobahn fuhr. Eine Abstandsmessung ergab nach dem üblichen Toleranzabzug, dass er bei 131 km/h weniger als drei Zehntel des halben Tachowerts Abstand zum Vordermann hielt. Der Fahrer erhielt einen Bußgeldbescheid über 530 Euro sowie einen Monat Fahrverbot.

Da die Behörden dem Mann vorsätzliches Verhalten vorwarfen, war das Bußgeld doppelt so hoch wie üblich. Dagegen legte der Mann Einspruch ein – und nachdem er Einsicht in die Messakte hatte, bemängelte er die gemessene Strecke als zu kurz. Das Argument zog vor Gericht aber nicht. Nach dessen Ansicht reichte es für den Vorwurf des Vorsatzes aus, dass der Abstand zu irgendeinem Zeitpunkt unterschritten war. Denn es habe keine außergewöhnliche Situation durch Abbremsen oder Einscheren des Vordermannes gegeben.

Erhöhtes Bußgeld

Wer gleich mehrere Schilder mit Tempolimits hintereinander missachtet, muss mit einem höheren Bußgeld rechnen. Es kann sich dann um gesteigerte Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz handeln. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz (Az.: 4 OWi 6 SsRs 26/21), über das der Deutsche Anwaltverein berichtet.

Ein Mann fuhr mit seinem Auto auf der Autobahn 121 km/h. Erlaubt war Tempo 100, worauf vor der Messstelle dreimal im Kilometerabstand hingewiesen wurde. Es folgte ein Bußgeldbescheid in Höhe von 70 Euro. Das Regelbußgeld wurde nach einem Einspruch des Mannes auf 85 Euro heraufgesetzt. Das Amtsgericht wertete das Verhalten des Autofahrers als erhöhte Fahrlässigkeit, da er mehrere Verkehrszeichen hintereinander ignorierte.

Assistenzsystem defekt

Wenn Assistenzsysteme im Auto fehlerhaft arbeiten, kommt es nach einem Unfall auch auf die weiteren Umstände im Einzelfall an, wie sich die Haftung verteilt. Das zeigt ein Urteil (Az.: 23 U 120/20) des Oberlandesgerichts Frankfurt.

In dem Fall ging es um ein Auto, das auf der Autobahn vor einem Lastwagen fuhr. Plötzlich leitete der Notbremsassistent in dem Auto aus ungeklärtem Grund eine Bremsung ein, ohne dass ein Hindernis aufgetaucht war. Der Lastwagen konnte nicht rechtzeitig anhalten und fuhr auf. Später stellte sich heraus, dass der Fahrer des Lastwagens den erforderlichen Abstand um ein Drittel unterschritten hatte.

Die Fahrerin des Autos forderte Schadenersatz. Sie war der Meinung, dass sie selbst nicht die Schuldige an dem Unfall gewesen sei und verwies auf ein technisches Versagen. Der Lastwagenfahrer trage die Alleinschuld. Da die Versicherung des Lkw-Fahrers eine Zahlung verweigerte, ging die Sache vor Gericht.

Das Gericht sah zwei Drittel der Haftung beim Lastwagenfahrer. Durch den zu geringen Sicherheitsabstand habe er den Unfall mitverursacht. Doch auch die Frau habe – zwar ohne eigenes Verschulden – zu dem Unfall beigetragen, denn ihr Auto hatte ohne ersichtlichen Grund abgebremst. Sie haftete aufgrund der Betriebsgefahr ihres Autos zu einem Drittel.

Verschleiß normal

Bei einem alten Gebrauchtwagen müssen Käufer mit abgenutzten Verschleißteilen rechnen. Sie werden nicht als Sachmangel gewertet und ermöglichen keinen Rücktritt vom Kauf. Das zumindest ergibt ein Urteil des Amtsgerichts Limburg (Az.: 4 C 3 193/20), über das der Anwaltverein berichtet. In dem Fall ging es um eine defekte Zylinderkopfdichtung, die nach drei Monaten kaputt ging.

Artikel 2 von 4