Wenn der Rentenbescheid im Briefkasten liegt, ist der Ruhestand nicht mehr weit. Der Bescheid ist die Antwort der Deutschen Rentenversicherung (DRV) auf den Rentenantrag der Versicherten. In dem Schreiben steht, wie hoch die gesetzliche Monatsrente sein wird, welche Zeiten berücksichtigt wurden und wann die Zahlungen beginnen. 1,71 Millionen Rentenbescheide hat die DRV 2020 verschickt, 148 000 Empfänger legten Widerspruch gegen sie ein. Mehr als die Hälfte davon betraf die Erwerbsminderungsrente, weil die DRV viele Antragsteller nicht für dauerhaft krank hält und ihren Rentenantrag ablehnt. Antworten auf die wichtigsten Fragen gibt die Zeitschrift „Finanztest“.
Welche Fehler können im Bescheid vorkommen?
Die im Versicherungsverlauf gespeicherten Zeiten können unvollständig sein, beispielsweise weil Fachschul- oder Berufsausbildungszeiten sowie Nebenjobs während des Studiums nicht oder nicht vollständig gespeichert wurden. Auch Zeiten von Arbeitslosigkeit oder Krankheit können fehlen sowie freiwillige Beiträge bei selbstständigen Tätigkeiten.
Die Daten zu einem Versorgungsausgleich nach einer Scheidung wurden eventuell nicht richtig berücksichtigt. Sind Versicherte mehrmals zwischen den alten und neuen Bundesländern umgezogen, sollten sie prüfen, ob der Rentenversicherer für die Zeiten in den neuen Ländern den korrekten Umrechnungsfaktor für die Rente berücksichtigt hat.
Tipp: Der Versicherungsverlauf kann kostenlos bei der Deutschen Rentenversicherung angefordert werden, per Telefon (0800/10 00 48 00) oder im Internet (deutsche-rentenversicherung.de, Suchwort: Versicherungsverlauf).
Was können Versicherte im Vorfeld tun, um Fehler zu vermeiden?
Gibt es eine Lücke im Versicherungsverlauf, kann sie sich bis zum Rentenbescheid durchziehen. Deshalb sollten fehlende Versicherungszeiten so früh wie möglich mit Nachweisen gemeldet werden. Dies geht einfach per Kontenklärung.
Wie können Versicherte Widerspruch einlegen?
Gibt es begründete Zweifel am Rentenbescheid, etwa weil Zeiten nicht mit angerechnet wurden, sollten Versicherte widersprechen. Ein Antrag ist kostenlos und kann formlos beim zuständigen Rentenversicherer gestellt werden, also dem Absender des Rentenbescheids. Wichtig ist es, das Aktenzeichen des Bescheids zu nennen. Eine Begründung kann in einem späteren Schreiben erfolgen, das man jedoch ankündigen sollte. Die übliche Frist beträgt einen Monat. Versicherte, die im Ausland leben, haben bis zu drei Monaten Zeit.
Wie läuft das Widerspruchsverfahren ab?
Die zuständige Abteilung des Rentenversicherers prüft den Widerspruch. Bleibt sie bei ihrer Entscheidung, übergibt sie den Fall an den Widerspruchsausschuss. Er besteht aus je einem Vertreter der DRV-Geschäftsführung, der Versicherten und der Arbeitgeber. Dieser Ausschuss kann dem Widerspruch ganz oder zum Teil stattgeben oder ihn zurückweisen. Wird der Widerspruch abgelehnt, bleibt Versicherten eine Klage vor dem Sozialgericht.
Wie hoch sind die Erfolgschancen eines Widerspruchs?
Von 148 000 im Jahr 2020 eingereichten Widersprüchen wurden 38 000 ohne förmliches Widerspruchsverfahren geklärt. „In der Regel war das möglich, weil Unterlagen nachgereicht wurden“, erklärt Dirk von der Heide, Sprecher der DRV Bund. In rund 1100 Fällen hatten die Versicherten im förmlichen Verfahren Erfolg. Rund 79 000 Widersprüche wurden zurückgewiesen. Der Rest war noch in Bearbeitung.
Was ist, wenn eine Erwerbsminderungsrente nicht bewilligt wird?
Auch hier kann ein Widerspruch helfen. Die DRV wird in diesem Fall eigene Gutachter zurate ziehen. Ist der Widerspruch erfolglos, bleibt eine Klage. Das Gericht bestellt in der Regel eigene Gutachter. Entscheiden diese zugunsten des Versicherten, bewilligt der Rentenversicherer häufig die Rente, noch bevor es zu einem Urteil kommt.
Klappt ein Widerspruch nur mithilfe von Experten?
Nicht unbedingt. Aber oft geht es nicht anders. Die DRV hat vor drei Jahren die Bescheide vereinfacht, um diese für Laien besser lesbar zu machen. Bestimmte Berechnungsgrundlagen, die früher als Anlage beigefügt waren, lässt sie nun weg. Ein Beispiel dafür ist die „Berechnung der Entgeltpunkte aus beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten“. Entgeltpunkte sind entscheidend für die Rentenhöhe. Der Versicherte kann von der DRV aber verlangen, dass sämtliche Anlagen dem Bescheid beigefügt werden. Kommt er dennoch alleine nicht weiter, kann er sich Rat holen.
Wenn ich mit all dem nicht zurechtkomme, wer hilft mir?
. Die Deutsche Rentenversicherung ist gesetzlich verpflichtet, Versicherte umfassend zu beraten, sodass sie ihren Rentenanspruch voll ausschöpfen können (§ 14 SGB I). Bei Fragen rund um Kontenklärung und Rentenantrag ist die DRV also stets die erste Adresse. Die Beratung ist kostenlos. Kommt es aber zum Streit mit der DRV über einen Widerspruch, sollte man andere Beratungsangebote wahrnehmen. Hier fallen Kosten an, die bei Erfolg aber von der DRV erstattet werden müssen.
. Wer Mitglied in einem Sozialverband ist, bekommt auch dort Hilfe. Die Mitgliedschaft etwa im VdK oder SoVD kostet monatlich zwischen 5,50 und 8 Euro, je nach Landesverband. Dafür gibt es Beratung, Rechtsbeistand und praktische Hilfe. Für einen Widerspruch gegen einen Rentenbescheid fallen beim SoVD – je nach Landesverband – weitere Kosten zwischen rund 22 und 120 Euro an. Beim VdK richten sich die Kosten nach Bedürftigkeit des Mitglieds sowie der Dauer der Mitgliedschaft. Sie betragen zwischen 15 und 280 Euro.
. Freiberufliche Rentenberater helfen gegen Honorar (rentenberater.de). Sie vertreten ihre Mandanten auch im Widerspruchsverfahren. Die Kosten für eine einfache Beratung betragen rund 200 bis 300 Euro. Je komplizierter der Fall, desto teurer wird es. Man sollte auf jeden Fall vorher eine schriftliche Honorarvereinbarung mit dem Berater treffen.