Fast vier Millionen Menschen haben sich in Deutschland seit dem Beginn der Pandemie mit dem Corona-Virus infiziert. Hat sich ein Arbeitnehmer im Job mit dem Virus angesteckt, kann das unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall gelten. In diesen Fällen haben Erkrankte Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Zeitschrift „Finanztest“ zeigt auf, warum das wichtig ist und welche Hürden je nach Berufsgruppe zu überwinden sind.
Anzeigepflicht
Mitunter ist die erste Hürde gleich der eigene Arbeitgeber. Dieser ist verpflichtet, Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle umgehend beim zuständigen Unfallversicherungsträger anzeigen, der je nach Branche eine Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse ist. Doch in vielen Fällen weigert sich der Arbeitgeber, eine Corona-Infektion im Job zu melden. Angestellte können dies aber auch einfach selbst tun. Helfen können Beratungsstellen, Gewerkschaften oder der eigene Betriebsrat.
Viele Menschen, die mit Corona infiziert waren, leiden auch Monate später an Symptomen wie schneller Erschöpfung und eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Diese Langzeitfolgen treten auch bei Patienten auf, die zunächst einen milden Verlauf hatten. Daher sollten Betroffene die Infektion auch bei leichten Symptomen melden. Leidet jemand später unter Langzeitfolgen, erhält er dann schneller Unterstützung.
Drei Voraussetzungen
Nach der Meldung prüft der Unfallversicherungsträger, ob bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Das ist der Fall, wenn – die Infektion mit einem positiven PCR-Test nachgewiesen ist, die Erkrankung ausgebrochen ist, es also mindestens leichte Symptome gibt oder nachgewiesen ist, dass sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin bei der Arbeit infiziert hat.
Wie konkret der letzte Nachweis sein muss, hängt davon ab, ob die Erkrankung als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall zählt. Impfungen spielen keine Rolle. Auch Ungeimpfte haben Versicherungsschutz. Wer erst jetzt erfährt, dass seine Infektion am Arbeitsplatz als Versicherungsfall gilt, kann dies nachträglich anzeigen. Allerdings muss auch er belegen können, dass er die genannten Voraussetzungen erfüllt.
Berufskrankheit
Ob Ärztin, Pfleger, Apotheker oder Familienhelferin – wer im Gesundheitsdienst, Labor oder in der Wohlfahrtspflege arbeitet und unter Infektionsfolgen leidet, hat gute Chancen, eine Berufskrankheit anerkannt zu bekommen. Covid-19 gilt nur in bestimmten Fällen als Berufskrankheit. Nämlich nur dann, wenn medizinische Erkenntnisse belegen, dass in einem Beruf ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko im Vergleich zur übrigen Bevölkerung besteht. Für welche Krankheiten das gilt, ist auf der Liste der Berufskrankheiten festgehalten.
Zum Gesundheitsdienst zählen etwa Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheken, Rettungsdienste oder Pflegedienstleister. Wohlfahrtspflege meint vor allem Einrichtungen der Kinder-, Jugend-, Familien- und Altenhilfe sowie zur Hilfe für behinderte oder psychisch erkrankte Menschen. Erkrankte in diesen Jobs müssen nicht konkret nachweisen, bei wem sie sich angesteckt haben. Für sie genügt es, wenn sie allgemein belegen können, dass sie mit Menschen gearbeitet haben, die mit dem Corona-Virus infiziert waren.
Auch in anderen Berufen kann Covid-19 als Berufskrankheit gelten. Nämlich dann, wenn Arbeitnehmer im Beruf „der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt waren“. Dazu zählen laut Spitzenverband der Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) Berufe mit unmittelbarem Körperkontakt wie Friseure oder Kosmetikerinnen.
Enger Kontakt
Alle anderen Berufsgruppen können eine Corona-Infektion zumindest als Arbeitsunfall anzeigen. Damit die Anzeige Erfolg hat, müssen Betroffene genau darlegen, dass sie in ihrem Job engen Kontakt zu einer infizierten Person hatten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Arbeitskollegin, einen Geschäftspartner oder einen Kunden handelt.
Bei der Definition eines „engen Kontaktes“ bezieht sich die gesetzliche Unfallversicherung auf das Robert-Koch-Institut. Demnach ist er in drei Situationen gegeben: Der Betroffene hatte mit der infizierten Person länger als zehn Minuten bei einem Abstand unter 1,5 Meter und ohne Masken Kontakt, er hat mit der infizierten Person bei einem Abstand unter 1,5 Meter und ohne Masken ein Gespräch geführt. Er war mit der infizierten Person länger als zehn Minuten in einem Raum, der schlecht oder gar nicht belüftet wurde, sodass sich Aerosole verteilen konnten. In dieser Situation spielt es auch keine Rolle, ob die Beteiligten eine Maske getragen haben.
Erkrankte sollten dem Unfallversicherungsträger alle engen Kontakte mit infizierten Menschen im Job nennen, die sie in den 14 Tagen vor ihrem positiven PCR-Test hatten. Nur in Ausnahmefällen akzeptieren Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft einen Arbeitsunfall, obwohl der Beschäftigte keinen konkreten engen Kontakt mit einer infizierten Person belegen kann. Nämlich dann, wenn es im Arbeitsumfeld viele Infektionen gab und bewiesen ist, dass sich das Virus gut verbreiten konnte. Zum Beispiel, weil es keine oder nur eine schlechte Belüftung gab. Bei Arbeitsunfällen gilt außerdem, dass Betroffene mindestens drei Tage krankgeschrieben sein müssen. Sie sollten sich also auch bei milden Symptomen vom Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lassen.
Gute Leistungen
Hat die gesetzliche Unfallversicherung die Infektion als Versicherungsfall akzeptiert, erhalten Kranke umfangreiche Unterstützung. Die Unfallversicherung übernimmt zum Beispiel Behandlungen und zahlt bei Langzeitfolgen eine Verletztenrente. Die Leistungen sind oft besser als die der Krankenkasse. Im Todesfall unterstützt Versicherung die Hinterbliebenen finanziell.