Wie es für Gaskunden weitergeht

von Redaktion

SERIE – Teil II: Preis droht weiter zu steigen – Wann sich der Wechsel lohnt

VON SEBASTIAN HÖLZLE

Die Preise für Energie kennen derzeit nur eine Richtung: nach oben. Wir erklären in unserer Serie, wie Verbraucher darauf reagieren können. „Am Gasmarkt ist die aktuelle Lage noch schwieriger als am Heizölmarkt, da Kunden den Preisen ihrer Versorger mehr oder weniger ausgeliefert sind“, sagt Leonora Holling, Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher. Wir erklären, was Gaskunden jetzt wissen müssen.

Warum sind die Gaspreise derart nach oben geschossen?

„Aktuell haben wir eine Situation in Deutschland, dass die Gasspeicher nur zu 65 Prozent gefüllt sind, was untypisch ist für diese Jahreszeit“, sagt Kai Eckert vom Energieinformationsdienst in Hamburg. Spekuliert werde, dass Russland damit den Druck erhöhen wolle, um Nord Stream 2 schneller in Betrieb zu nehmen. „Ich würde aber nicht pauschal Russland für die leeren Gasspeicher verantwortlich machen, denn das ist ein branchenweites Phänomen. Allerdings ist auffällig, dass ausgerechnet in den zwei deutschen Gazprom-Speichern besonders wenig Gas vorrätig ist“, sagt Eckert.

Welche weiteren Ursachen gibt es für das knappe Angebot?

„Bisher wurde Gas überwiegend per Pipeline transportiert, seit einigen Jahren nimmt der Transport von verflüssigtem Erdgas, sogenanntem LNG, per Schiff aber immer stärker zu“, sagt Eckert. Die Folge sei ein globalisierter Gasmarkt. „Es kommt daher immer öfter vor, dass Schiffe auf dem Weg nach Europa auf halbem Weg nach Asien umgeleitet werden, weil dort die Nachfrage hoch ist und höhere Preise gezahlt werden.“ Das Gas fehlt dann in Europa. Hinzu kommt: Die Niederlande – immerhin der größte Erdgasproduzent der EU – steigen wegen des Erdbebenrisikos im kommenden Jahr aus der Gasförderung in der Region Groningen aus.

Welche Folgen hat das für Verbraucher?

Das knappe Angebot lässt die Beschaffungspreise steigen. Und Beschaffung und Vertrieb des Gases machen laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) rund 40 Prozent des Endpreises aus (siehe rechte Grafik). Die Einführung des CO2-Preises zu Beginn dieses Jahres hat zu einer zusätzlichen Verteuerung geführt: Bei einem Musterhaushalt entfallen über sieben Prozent des Betrags auf der Gasrechnung auf den CO2-Preis.

Wie viel müssen Gaskunden aktuell mehr bezahlen?

Das Vergleichsportal Check24 hat den bundesweiten Durchschnittspreis für einen Haushalt mit 20 000 Kilowattstunden Jahresverbrauch ausgerechnet: Demnach lag die Jahresrechnung vor etwa einem Jahr noch bei 900 Euro, Ende September 2021 waren es knapp 1200 Euro – also rund 300 Euro mehr (siehe linke Grafik). Wer Gas über den Tarif des örtlichen Grundversorgers bezog, musste im Schnitt sogar mehr als 1500 Euro bezahlen.

Was ist ein Grundversorger-Tarif?

Grundversorger ist laut Gesetz derjenige Anbieter, der in einer Region die meisten Kunden beliefert. In vielen Gegenden sind das die örtlichen Stadtwerke. Sie bieten einen speziellen Grundversorger-Tarif an, daneben haben die Anbieter meist aber auch weitere Tarife im Angebot.

Wie sollten Verbraucher auf die aktuell hohen Preise reagieren?

„Grundsätzlich können Kunden ihren Gasanbieter innerhalb der Kündigungsfrist kündigen, bei Ankündigung einer Preiserhöhung gibt es ein Sonderkündigungsrecht“, sagt Verbraucherschützerin Leonora Holling.

Allzu viel Hoffnung sollten sich Verbraucher aber nicht machen: „Natürlich kann ich ständig den Gasanbieter wechseln, aber am Ende ist die Ersparnis oft gar nicht so hoch, dass sich der Aufwand lohnt“, sagt Energie-Experte Eckert. Ausnahme seien die teuren Grundversorger-Tarife, hier lohne sich der Wechsel fast immer. „In diesem Fall genügt es oft schon, beim örtlichen Versorger anzurufen und nachzufragen, ob er günstigere Tarife im Angebot hat.“ Zumal sich der Wechsel des Anbieters weiter verkompliziert hat: Eon hat Mitte Oktober das Neukundengeschäft zeitweise eingestellt, EnBW bietet seine Tarife zumindest über Vermittler wie Verivox inzwischen nicht mehr an, und die Stadtwerke München teilen auf ihrer Internet-Seite seit Tagen mit, „dass wir aufgrund stark gestiegener Beschaffungspreise zum aktuellen Zeitpunkt keine Erdgas-Tarife anbieten können“.

Wie erkennen Kunden einen seriösen Anbieter?

Die Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Expertin Leonora Holling empfiehlt aber, sich an folgenden Fragen zu orientieren: Wie lange ist der Anbieter schon am Markt? Stehen große Versorger wie Stadtwerke hinter dem Unternehmen? Handelt es sich um einen großen Versorger? „Denn wenn am Markt ein neuer Anbieter mit sehr günstigen Preisen aufploppt, wäre ich immer vorsichtig.“ Wer dennoch zu einem Billiganbieter wechselt, sollte vorsichtig sein: „Wichtig ist, dass Verbraucher niemals in Vorkasse gehen“, sagt Expertin Holling. „Wer etwa 1000 Euro für die kommenden sechs Monate im Voraus überweist, hat nach einer Insolvenz kaum Chancen, das Geld wiederzusehen.“

Kann der Versorger den Gashahn zudrehen?

„Tatsächlich gibt es erste Versorger, die nicht mehr liefern können“, sagt Leonora Holling. Für Verbraucher bestehe aber kein Grund zur Sorge: „Es ist nicht zu erwarten, dass jetzt ein Versorger nach dem anderen in Schieflage gerät.“ Schwierig sei die Lage oft nur für kleine Versorger, deren Geschäftsmodell nur dann funktioniert, wenn der Kundenstamm möglichst groß sei. Aber selbst in solchen Fällen fliest das Gas erst einmal weiter: „Geht ein Gasversorger doch einmal insolvent oder kann aus irgend einem anderen Grund nicht liefern, springt in Deutschland der örtliche Grundversorger ein.“ Beispiel: Ende September hatte der niedersächsische Gasversorger Energiepool mitgeteilt, Verträge zu kündigen. Daraufhin sprang Eon als Grundversorger ein und sicherte den betroffenen Kunden zu, dass es zu keiner Unterbrechung der Gasversorgung kommen werde.

Wird sich die Preisspirale weiter drehen?

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, hatte Anfang Oktober vor „Energiepreisen des Grauens“ gewarnt. Denn der Gaspreis ist nicht nur vom Angebot abhängig, sondern auch von der Nachfrage – und die steigt oder fällt abhängig von der Außentemperatur. Müller sagte, wenn es nicht ein sehr milder Winter werde, würden die Rechnungen fürs Heizen in diesem Winter deutlich höher ausfallen als im vergangenen Winter. Laut einer Musterrechnung des Verbandes muss ein typischer Familienhaushalt in einem 120 Quadratmeter großen Einfamilienhaus aufs Gesamtjahr 2021 gerechnet über 200 Euro mehr bezahlen.

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